Bericht vom 48. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden am 04.05.22
An diesem Prozesstag waren zwei Polizeibeamte vom LKA Sachsen geladen, die dem Mobilen Einsatzkommando (MEK) angehören. Sie sollten zu den, von ihnen geleiteten Observationen zur Gefahrenabwehr von Brian Engelmann (08.06.2020) und zur Observation der angeblichen Wohnung einer der Angeklagten (08.06.2020) aussagen. Die Beamten erschienen mit demselben Rechtsbeistand (RA Hirschmann) und mussten lediglich ihre Kennziffer anstatt Name und Dienststelle angeben, was darauf schließen lässt, dass gegen beide im Moment Ermittlungsverfahren geführt werden. Dies musste einer der Zeugen (PKZ07) auch zugeben. In beiden Vernehmungen behaupteten die Polizisten immer wieder, dass sie aufgrund fehlender Aussagegenehmigung nicht antworten könnten. Zusätzlich waren beide mehr oder weniger gut verkleidet: Mit Perücke, Brille und Bart. Weiterhin stellte die Verteidigung zusätzliche Beweisanträge hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Leon Ringl und Maximilian Andreas und forderte die Beiziehung der Unterlagen aus einer Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung.
Zeugenvernehmung von PKZ 07
Der Observationsbeamte vom LKA erschien verkleidet mit Brille und Bart, begleitet von RA Hirschmann als Zeugenbeistand. Der Beamte erzählte, er sei PKZ07 und, auf Nachfrage des Vorsitzenden, 33 Jahre alt. Sein Auftrag durch das LKA Sachsen wäre die Leitung der “Observation zur Gefahrenabwehr” bezüglich Brian Engelmann am 08.06.2020 gewesen. Um 14:16 Uhr sei Brian Engelmann in Begleitung einer unbekannten männlichen Person aus einem PKW der Marke Skoda an seiner damaligen Wohnanschrift eingetroffen. Um 14:11 Uhr sei eine unbekannte weibliche Person an der Augustenstraße, Ecke Frommannstraße auf einem Fahrrad gesehen worden. Die Person habe einen schwarzen Pullover mit oranger Kapuze getragen. An dieser Stelle wurde der Zeuge durch die Verteidigung unterbrochen, mit der Frage, wessen Beobachtungen er nun eigentlich erzähle. Seine eigenen oder die aus dem Bericht entnommenen. Daraufhin meinte PKZ 07, die mitgeteilten Informationen durch die Observant:innen seiner Einheit seien bei ihm zusammengeflossen und er habe sie zeitlich unmittelbar notiert. Er habe selber allerdings nichts davon beobachtet. Er fuhr fort und erzählte, die Person habe um 14:12 Uhr eine Sonnenbrille aufgesetzt.
Danach sei sie am Stephanieplatz wiederum ohne Kapuze und Brille gesehen worden. Am Stephanieplatz habe die Person eine eingesetzte Zivilbeamtin aus seiner Einheit nach Zigaretten und einem Feuerzeug gefragt. Die Beamtin habe eine Zigarette gegeben und nach einem Feuerzeug gesucht. Die Suche nach dem Feuerzeug habe der Person zu lange gedauert, woraufhin diese zu Bauarbeitern in der Nähe gegangen sei um nach Feuer zu fragen. Es folgten diverse Nachfragen durch den Vorsitzenden, den Senat sowie die Verteidigung. PKZ 07 gab unter anderem an, dass die eingesetzte Zivilbeamtin im Nachhinein bezüglich der unbekannten weiblichen Person befragt worden sei: “[…] eine gewisse Ähnlichkeit zu Lina… hat sich nicht bestätigt.” Der Zeuge sollte weiterhin seine Einheit nach einzelnen Aufnahmen und wer diese wann gemacht habe befragen.
Auf Nachfrage erklärte PKZ 07, dass die eingesetzten Beamt:innen an diesem Tag auch eine Lichtbildmappe zur Verfügung bekamen, um Brian Engelmann und ihn gefährdende Personen identifizieren zu können. Der Fokus sei der Schutz von Brian Engelmann durch ihn und seine Kolleg:innen gewesen und nicht die Observation der unbekannten weiblichen Person. Die Lichtbildmappe wäre wohl vom Staatsschutz aus Dresden gekommen. Ihm sei mitgeteilt worden, dass auch andere Polizei-Beamt:innen des MEK an diesem Tag bei Brian Engelmann eingesetzt sein würden. Wie genau und wie diese aussahen, um Verwechslungen mit eventuellen Angreifer:innen auszuschließen, sei ihm nicht bekannt gewesen. Auch ob diese Mappe während der Observation vor Ort war, wisse er nicht. Das Gericht hielt fest, den Dezernatsleiter nach der originalen Bildmappe zu befragen. Zum Ende der Befragung wollte die Verteidigung wissen, ob der Zeuge etwas mit dem Munitionsdiebstahl beim LKA Sachsen zu tun habe. Die Bundesanwaltschaft beanstandete diese Frage, auch der Vorsitzende tat seinen Unmut kund und ließ durchblicken, dass die Antwort für ihn nichts mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu tun habe. Der Zeuge verweigerte die Aussage mit dem Verweis auf innerdienstliche Vorgänge. Nach einigem Hin und Her musste der Zeuge schließlich zugeben, dass er aufgrund der Vorwürfe vom Dienst suspendiert ist. Der Zeuge wurde unvereidigt entlassen.
Zeugenvernehmung von PKZ 50
Auch dieser Zeuge erschien verkleidet mit schlecht sitzender Perücke, Brille und falscher Nase. Ebenfalls in Begleitung von RA Hirschmann. Der Beamte sollte von den Observationsmaßnahmen, die schon länger liefen, dem Ablauf der Berichterstellung und seiner Funktion als Einsatzleiter berichten. Er gab, den Observationsbericht am 8. Juni 2020 geschrieben zu haben. Der Vorsitzende fragte den Zeugen unter anderem nach dem Zustandekommen der notierten Zeiten aus der Lichtbildmappe, im Vergleich zum Observationsbericht. Der Zeuge erklärt, für die Lichtbildmappe würden die Metadaten der aufgenommenen Fotos abgeschrieben werden, wohingegen die Zeiten aus dem Bericht von der Einsatzleitung und dem Berichterstatter dokumentiert würden. Nach jedem Einsatztag würden die Beamt:innen sich dann hinsetzen, um gemeinsam den Bericht zu formulieren.
Im Anschluss wurde der Zeuge zur eingesetzten Videotechnik befragt. Während er zuerst von der Wartung von bereits eingesetzter Videotechnik sprach, gab er bei der nächsten Nachfrage an, dass sein Kollege am Nachmittag des 8.Juni neue Technik aus Dresden nach Leipzig gebracht habe, um sie dort vor der Wohnung aufzubauen. Die Aufnahmen von diesem Nachmittag habe er allerdings weder gesehen, noch seien sie auf den Computern seiner Einheit zu finden gewesen. Prinzipiell würden die Aufnahmen nur von der Sachbearbeitung gesichtet werden oder wenn es einen klaren Auftrag gäbe. Zum Beispiel zur Vorbereitung einer Hausdurchsuchung. Die Aufnahmen seien nie da gewesen, warum sei ihm nicht erklärlich und er habe den Techniker dazu gefragt. Alle Videoaufnahmen würden gelöscht, sobald diese an die Sachbearbeitung weitergereicht seien. Vom Polizeibeamten Mathe aus der Sachbearbeitung habe er dann erfahren, dass diese die Aufnahmen auch nicht hätten. PKZ 50 selbst habe sie ebenfalls nicht.
Die Verteidigung fragte nach Aufnahmen aus den Tagen vor dem 8.6.2020, woraufhin der Zeuge zugab, dass auch schon in den Tagen zuvor Videotechnik vor dem Haus der Angeklagten eingesetzt worden sei: „Unter Umständen auch im Mai.“ Der Vorsitzende Schlüther-Staats monierte, dass der Zeuge sich zuvor missverständlich ausgedrückt habe bei der Nachfrage, ob bereits Technik im Einsatz war (siehe oben). Von hier an war PKZ 50 noch unerfreuter über jede Nachfrage. Jede einzelne Antwort musste ihm förmlich aus der Nase gezogen werden. Der Zeuge sagte auf Nachfrage zu den Video-Aufnahmen, dass diese alle bei der Sachbearbeitung seien und er keinen Zugriff habe. Die anschließenden Fragen der Verteidigung zielten auf die angebliche Identifizierung eines Angeklagten auf den Videoaufnahmen durch die Beamt:innen und das Zustandekommen des zugehörigen Aktenvermerks vom 5. Dezember. Der Zeuge gab an, einen Anruf von einem anderen Beamten (PKZ25) bekommen zu haben und daraufhin den Vermerk gemacht zu haben. Der Zeuge könne sich aber weder an Inhalt des Telefonats, noch Umstände erinnern. Wiederholt wurde der Zeuge zum Inhalt des Gesprächs befragt, sogar nach der nachsichtigen Anmerkung des Richters, dass er die Fragen bisher ja vielleicht nur falsch verstanden hätte, wurde ihm das Gespräch partout nicht erinnerlich. Insbesondere der Umstand, ob er den Namen des Angeklagten denn nun ausschließlich von PKZ25 gesagt bekommen habe, fiel ihm einfach nicht mehr ein.
Die Zeugenbefragung endete. Die Verteidigung widersprach der Auswertung der Observationsdaten nach dem 20. Mai, da für diesen Zeitraum das zuständige Gericht die Aktenlage nicht nochmals überprüft hatte.
Erklärung der Verteidigung
Weiterhin gab die Verteidigung eine Erklärung zur Befragung des Neonazi Leon Ringl ab, in Bezug auf den Tatkomplex Eisenach II und pochte auf die Ladung des damaligen Polizei-Praktikanten Büchner.
Die Verteidigung führte aus: Der Polizeibeamte Fritzlar hatte in seiner Vernehmung angegeben, dass er gemeinsam mit einem Praktikanten (POM Büchner) den Tatort Herrenmühlenstraße aufgesucht habe. Der Polizeibeamte sagte, dass Ringl von einer anwesenden Frau sprach, die gelassenen gewirkt haben soll. Auch den Bewegungsablauf der angeblich Anwesenden beschrieb der Neonazi identisch zum Überfall auf das Bull’s Eye. Nicht alles hierzu ist im Aktenvermerk vom 14.12.2019 aufgeführt. Aufgeführt ist jedoch, dass Ringl die Frau anhand von Mimik und Gestik (wieder)erkannt haben will. Der Beamte konnte jedoch nicht mehr sagen, was Ringl zur Mimik der Frau erzählt habe.Ob Ringl das Gesicht gesehen habe, lässt sich ebenfalls nur mutmaßen. Er gehe davon aus, dass Ringl etwas in Richtung Gestik gesagt hätte, etwaige Armbewegungen zum Beispiel. Der Zeuge hatte weiterhin angegeben, dass Ringl nichts von einem Pfefferspray in der Hand der angeblich tatbeteiligten Frau erzählt hat. Diese Aussagen des Polizeiobermeister Fritzlar belegen einmal mehr die wechselhaften und (eigen)interessensgeleiteten (Falsch-)Aussagen des Neonazi Ringl.
Die Verteidigung beantragte daraufhin die Ladung des Praktikanten Büchner. Er soll zu der angeblichen Wiedererkennung der Frau durch Ringl befragt werden. Dem Antrag schlossen sich alle Verteidiger:innen an.
Zum Schluss entspann sich noch eine Diskussion zum weiteren Verlauf des Verfahrens zwischen der Verteidigung und dem Senat.
Der nächste Termin findet am 5.5.2022 ab 9:30 Uhr am OLG Dresden (Hammerweg) statt.