Wir spiegeln an dieser Stelle einen Artikel der Antifaschistische Gruppen Südthüringen, deren Recherchen die Eisenacher Zustände einmal mehr gut darstellen. Wieder mit dabei: Knockout 51 und Leon Ringl. Wobei diesem ihre Vorbilder im Fokus stehen. Das Titelbild zeigt v.l.n.r.: Leon Ringl, Maximilian Andreas, Patrick Wieschke und Bastian Adam bei einem NPD-Aufmarsch in Eisenach am 25.7.2020 (Bildrechte: Nico Kuhn).
Am 6. April wollte der Generalbundesanwalt mit Durchsuchungen und Verhaftungen gegen Mitglieder von Knockout 51 ein Durchgreifen gegen Rechts demonstrieren. Gegen die Neonazis laufen Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, die die Errichtung eines „Nazi-Kiez“ zum Ziel gehabt haben soll. Was bei der öffentlichen Fokussierung auf die vier festgenommenen Gruppenmitglieder wenig Beachtung fand: Rechte Gewalt zur Durchsetzung einer „national befreiten Zone“ gibt es in Eisenach seit der Wende, speziell seit Entstehen des Thüringer Heimatschutzes und der örtlichen NPD-Strukturen ab 1997. Damals wie heute führte Patrick Wieschke die Eisenacher Neonazi-Szene an. Er baute nicht nur in Westthüringen den Thüringer Heimatschutz mit auf, aus dessen Ostthüringer Sektionen der NSU hervorging. Wieschke lud auch altgediente Rechtsterroristen zu Vorträgen ein und schritt selber mit einem Sprengstoffanschlag auf einen Döner-Imbiss zur Sache. Ein Vierteljahrhundert später ist er der zuverlässige Förderer der jungen Eisenacher Neonazis, denen er für Treffen und Kampfsport in der NPD-Zentrale „Flieder Volkshaus“ Raum bietet. Dortige Rechtsrockkonzerte halfen den jungen Nazis außerdem, Anschluss an bundesweite militante Netzwerke zu finden. Der Komplex um Knockout 51 ist ohne den folgenden Blick auf ein Vierteljahrhundert rechte Organisierung in Eisenach und deren Protagonisten Patrick Wieschke nicht zu denken. Auch die AfD darf bei einer Analyse der rechten Strukturen nicht außen vor bleiben.
Ein Beitrag von ’We’re watching you, 51’
NSU-Helfer André Kapke bei Lunikoff im Flieder Volkshaus am 8.5.2022
Während dieser Text in Arbeit war, fand am 8. Mai im Flieder Volkshaus ein Solo-Konzert von Michael „Lunikoff“ Regener statt. Beworben wurde es mehr oder weniger öffentlich in Facebook-Gruppen. Regener, der sich seinen Ruf in der Szene als Sänger der als kriminelle Vereinigung zerschlagenen Band „Landser“ mit radikal antisemitischen und gewaltvollen Texten erwarb, kam seit Eröffnung der NPD-Zentrale 2014 durchschnittlich zweimal im Jahr nach Eisenach. Zum diesjährigen Konzert kamen mehr als 100 BesucherInnen, die Mehrheit aus Eisenach und Westthüringen. Darunter waren Yves Amert und Tobias Wagner von der JN aus Gotha, Christin Kirchner und Frans Weiß vom III. Weg Erfurt-Gotha, Antje Voigt (NPD) aus Mihla, der Shoa-Leugner Matthias Huhn aus Neuhaus oder Marvin Wolf von Knockout 51 aus Eisenach. Mit dem Konzert sollten Spenden für die Mitglieder von Knockout 51 gesammelt werden. Ein Besucher des Konzerts stach heraus, als er mit seinem Motorrad mit Rudolstädter Kennzeichen in den Hof fuhr und die Maske bis unter die Augen behielt: Der NSU-Helfer André Kapke, der in den Neunzigern maßgeblich den Thüringer Heimatschutz aufbaute und die Kameradschaft Jena mit Ralf Wohlleben zusammen anführte. Kapke wohnt seit Langem bei Uhlstädt-Kirchhasel im Landkreis Rudolstadt. Als Michael Regener wegen seiner Hetzmusik 2005 eine Haftstrafe antreten musste, spielte er sein Abschiedskonzert im Schützenhaus in Pößneck. Das Schützenhaus wurde seinerzeit von André Kapke verwaltet. So wirft dieser kürzliche Besuch ein Licht auf die lange Kontinuität rechter Terrornetzwerke, deren Fäden und Protagonisten immer wieder in Eisenach zusammenlaufen – bei Gastgeber Patrick Wieschke.
Anfänge Wieschkes in Thüringer Heimatschutz und NPD seit 1997
Patrick Wieschke (Jahrgang 1981) war seit spätestens 1997 NPD-Mitglied und bald darauf Anführer der Kameradschaft und einer der Führungskader des THS. Er arbeitete eng mit den NSU-Helfern Tino Brandt, Ralf Wohlleben und André Kapke zusammen und organisierte Naziaufmärsche in ganz Thüringen mit. Ab der Jahrtausendwende trat Wieschkes Kameradschaft zusammen mit Nazigruppen aus West- und Nordthüringen als “Nationales und Soziales Aktionsbündnis Westthüringen” (NSAW) auf. Gleichzeitig baute er JN- und NPD-Strukturen im Wartburgkreis auf und wurde zusammen mit dem Überbringer der NSU-Mordwaffe, Carsten Schulze aus Jena, in den JN-Landesvorstand gewählt. Zu Wieschkes wichtigsten Eisenacher Mitstreitern zählten damals u.a. Danny Pfotenhauer und Andreas Niebling, die ihm und der NPD bis heute die Treue halten.
Anschlag auf Dönerladen, häusliche Gewalt und Vergewaltigung durch Wieschke
1999 verprügelte er seine Schwester und Mutter in einer Nacht zuhause, weshalb es zu einem Polizeieinsatz und einer Hausdurchsuchung kam. Hierbei wurden unter anderem Mitgliedsdokumente der US-amerikanischen “NSDAP/AO” gefunden. 2000 verübte Wieschke mit einem Sprengsatz einen Anschlag auf einen Döner-Imbiss in Eisenach-Nord und wurde in Tatortnähe gefasst. Seither schmückt er sich in der Naziszene mit dem Spitznamen „Dönerbomber“. 2001 versuchte er unter Morddrohungen und Verletzen mit einem Messer, eine 12-Jährige in seiner Wohnung zu vergewaltigen. Zudem hatte er im Laufe der Jahre zahlreiche Verfahren wegen Körperverletzungen, Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen uvm. 2002 wurde er mit einer Gesamtstrafe, in der u.a. die versuchte Vergewaltigung und die häusliche Gewalt aufgrund von Einstellung wegen der erwarteten Höhe der Gesamtstrafe nicht mehr enthalten waren, zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.
Haft Wieschkes und Kontinuität mit Heimatschutz-Kameraden in NPD
Während der Haft hielt Wieschke über die Hilfsorganisation nationaler Gefangener (HNG) Briefkontakt zu zahlreichen bundesweit aktiven Nazikadern. Nach der Entlassung 2004 wurde er umgehend in den Eisenacher Kameradschaftsstrukturen des NSAW aktiv und nahm erneut an Treffen von Führungskadern des THS teil, u.a. zusammen mit dem NSU-Helfer Ralf Wohlleben. In Eisenach versuchte Wieschke eine Nazi-Alternative zu den Montagsdemos gegen die Agenda 2010 aufzubauen. 2006 trat Patrick Wieschke wieder in die NPD ein und wurde im März erneut zum stellvertretenden Vorsitzenden des Kreisverbandes Wartburgkreis gewählt. Am 18.3.2006 organisierte Wieschke einen Liederabend mit Frank Rennicke in der Gaststätte „Zur Bergbahn“ in Oberweißbach am Rennsteig. Die Gaststätte wurde damals von Ralf Wohllebens Schwager David Feiler betrieben, der selber zur Naziszene gehörte. Nach Auffliegen des NSU geriet Feiler in den Fokus der Ermittlungsbehörden, weil die in Heilbronn ermordete Polizistin Michèle Kiesewetter aus Oberweißbach stammte. Für den Liederabend im März 2006 lud Wieschke verschiedene Kameradschaftsführer und Neonazis ein, die vor Beginn des Konzerts Vorträge über Globalisierung hielten. Als die Polizei später die Veranstaltung auflöste, waren ca. 100 Neonazis vor Ort. In der NPD konnte Wieschke in den Folgejahren seinen Einfluss zunehmend ausbauen. Nachdem er zwischenzeitlich zum Landesgeneralsekretär gewählt worden war, wurde er 2011 sogar als Beisitzer in den NPD-Bundesvorstand gewählt. Ab 2009 saß er bereits für die NPD im Eisenacher Stadtrat.
Schlappe der NPD bei Landtagswahl 2014
2014 war Wieschke NPD-Spitzendkandidat für die Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen. Nachdem er im Vorjahr noch mit einem NPD-Stand auf dem “Thüringentag der nationalen Jugend” in Kahla vertreten war, der als zentrale Solidaritätsveranstaltung für den inhaftierten NSU-Helfer Ralf Wohlleben organisiert wurde, distanzierte sich Wieschke 2014 wahlkampftaktisch von Wohlleben. Dies und die antifaschistischen Veröffentlichungen über seine misogyne Gewalt 1999-2001 führte zu einer Distanzierung vieler namhafter Nazikader von Wieschke und zu einem Spaltungsprozess innerhalb der NPD. Nachdem die NPD mit 3,6% den Einzug in den Landtag klar verpasste, verstärkten sich die Vorwürfe gegen ihn, weswegen er letztendlich zum Jahreswechsel 2014/2015 alle Parteiämter aufgab. Den Landesvorsitz übernahm jedoch Wieschkes enger Wegbegleiter Tobias Kammler, mit dem zusammen Wieschke auch von Eisenach aus dem Neonazi-Kleidungsversand “Hemdster” betreibt. 2014 eröffnete Wieschke in Eisenach außerdem das über einen Strohmann erworbene “Flieder Volkshaus”, das er trotz seiner überregionalen Unbeliebtheit in der NPD als Landeszentrale etablieren konnte. Auf regionaler Ebene blieb Wieschke der wichtigste Kader der NPD. Zusammen mit dem NPD-Stadtrat Dieter Müller reiste er auch zum Bundesparteitag der NPD am 14.5.2022 an.
Flieder Volkshaus und Kommunalpolitik der NPD
Seit 2014 vetreibt Wieschke vom Flieder Volkshaus aus Kleidung und über den Versand “Antiquariat Zeitgenoss” Original NS-Literatur. Er führt außerdem die NPD-Fraktion im Eisenacher Stadtrat an. 2015 gelang der Fraktion ein Coup, als ihrem Abwahlantrag gegen die Oberbürgermeisterin (Die Linke) trotz der bloß drei NPD-Mandate insgesamt 16 Stadträdte zustimmten. Es ist davon auszugehen, dass aus CDU und weiteren Parteien mit der NPD gestimmt wurde. Mit dem Flieder Volkshaus begann außerdem eine bis heute andauernde Zusammenarbeit zwischen der jüngeren, militanten Eisenacher Naziszene. Ab 2015 erzeugte die „Nationale Jugend Eisenach-Wartburgkreis“ (NJ) in Form von Graffitis, Stickern und NS-Propaganda Aufsehen. Zu ihren Gründungsmitgliedern gehörten neben Amon Sode auch Bastian Adam, Maximilian Andreas und Kevin Noeske, die aktuell im Fokus der Ermittlungen gegen Knockout 51 stehen. Mit ersten eigenen Bannern beteiligte sich die NJ an einem NPD-Aufmarsch im August 2015 in Eisenach und wurde von Patrick Wieschke eingeladen, fortan die Räumlichkeiten des Flieder Volkshauses zu nutzen. Auch Leon Ringl stieß bald darauf dazu.
Nach der ersten Umbenennung hieß die NJ “Nationale Jugend Wartburgkreis” und trat wenig später als “Nationaler Aufbau” auf. Fortan war die Gruppe mit Reichsflaggen und eigenen Bannern bei allen Kundgebungen und Aufmärschen der NPD in Eisenach präsent. Neben ihren Gruppentreffen in der NPD-Zentrale konnten Ringl & Co bei Konzerten und überregionalen Treffen im Flieder Volkshaus bundesweite Kontakte knüpfen. Unter zahlreichen Größen der Rechtsrockszene trat dort am 10.2.2018 auch die Dortmunder Band “Oidoxie” auf. Der Abend war als Solidaritätsabend für den NSU-Helfer André Eminger gedacht. Es reisten mehrere bekannte Kader des rechtsterroristischen Netzwerks Combat 18 nach Eisenach an. Ungefähr im selben Zeitraum begann der “Nationale Aufbau” zudem, als Kampfsportprojekt “Knockout 51” im Flieder Volkshaus zu trainieren.
Rechtsrock im Flieder Volkshaus
Das Flieder Volkshaus hat sich seit 2016 als einer der aktivsten Veranstaltungsorte für Rechtsrock in Thüringen etabliert. Seitdem fanden dort ca. 25 Konzerte statt. Alleine der ehemalige Frontmann der als kriminelle Vereinigung verurteilten Band “Landser”, Michael Regener, trat als Liedermacher “Lunikoff” dort sechs Mal auf. “Oidoxie”-Mitglieder, die zum verbotenen Combat18-Netzwerk gehören, traten 2016 in einem unplugged-Konzert, ein weiteres Mal mit “Sturmwehr” und 2018 als gesamte Band auf. Der Frontmann der Rechtsrockband “FLAK”, Philipp Neumann, trat mehrmals als Liedermacher auf. Neumann gehörte zum als kriminelle Vereinigung verfolgten “Aktionsbüro Mittelrhein” und hat sich inzwischen dem Hammerskin-Chapter im Rheinland angeschlossen. Bei einem Konzert dieser Gruppierung am 20.7.2019, das wegen eines Verbots spontan von Kloster Veßra nach Eisenach ins Flieder Volkshaus verlegt wurde, wurde Patrick Wieschke wegen Widerstands gegen Polizist*innen in Gewahrsam genommen. Die Polizei verhinderte den Auftritt von Philipp Neumann im Flieder Volkshaus. Jedoch bot Leon Ringl daraufhin seine Kneipe “Bull’s Eye” an, wo das Konzert ungestört stattfinden konnte. Während der Corona-Pandemie veranstaltete Patrick Wieschke am 29.2.2020 ein Konzert mit Sleipnir im Flieder Volkshaus, an dem auch Leon Ringl und weitere Mitglieder von Knockout 51 teilnahmen. Sleipnir ist Teil des in Deutschland verbotenen weltweiten Netzwerks Blood & Honour.
Angriff auf Leon Ringl und Polizei-Interna auf Wieschkes Facebook-Account
Am 7.12.2019 fand unter dem Titel „War es Mord?“ im Flieder Volkshaus eine Veranstaltung mit dem letzten Pfleger des NS-Kriegsverbrechers Rudolf Hess und einem rechten Historiker statt. Als Veranstalter traten Patrick Wieschke und Leon Ringl auf. Eine Woche später soll Ringl nachts vor seiner Wohnung angegriffen worden sein. Wenige Stunden später veröffentlichte Patrick Wieschke auf seiner öffentlichen Facebookseite Fotos von den angeblich frisch genähten Kopfplatzwunden von Ringls Begleiter Robert Schwaab, lieferte eine Darstellung des angeblichen Ablaufs des Angriffs und postete vier Namen von Beschuldigten, die in derselben Nacht von der Eisenacher Polizei festgenommen worden sein sollen. Nachdem im Januar 2021 Leon Ringls Kneipe “Bull’s Eye” laut Fotos auf dessen Facebookseite mit einem Sprengsatz angegriffen worden sein soll, trat nicht Leon Ringl, sondern Patrick Wieschke vor die Kameras des MDR, um Stellung zu nehmen.
Knockout 51 und Patrick Wieschke
Nachdem die Eisenacher Jungnazis ab 2015 zunächst unter wechselnden Namen gemeinsam auftraten, gab es um 2017 parallele Entwicklungen: Amon Sode und einige seiner Anhänger orientierten sich mehr in Richtung JN, während Leon Ringl, Kevin Noeske und Maximilian Andreas im parteifreien “Nationalen Aufbau” verblieben. Aus diesem bildete sich später Knockout 51 heraus. Mit Wieschkes NPD arbeiteten alle weiterhin eng zusammen. Bei dessen Kundgebungen bilden die jüngeren Militanten seit Jahren die ersten Reihen mit eigenen Transparenten. Am 11.2.2019 referierte Wieschke selber im Flieder Volkshaus vor rund zwanzig jungen Neonazis des Nationalen Aufbaus. Die bundesweite Antifa-Demonstration im März 2019 wurde u.a. von Leon Ringl aus der 1. Etage des Flieder Volkshauses abfotografiert. Zu den bundesweiten Aufmärschen gegen Corona-Maßnahmen im Jahr 2020 reisten Patrick Wieschke, seine NPD-Entourage aus Eisenach und Knockout 51 immer als geschlossene Gruppe an. Laut einem Focus-Artikel soll Leon Ringl Anfang 2021 in Gegenwart von Patrick Wieschke über eine Bewaffnung gesprochen haben. Noch Anfang 2022 konnte Knockout 51, die als Gruppe seit Kurzem nicht mehr unter diesem Namen auftreten, im Flieder Volkshaus Kampfsporttrainings mit überregionaler Beteiligung abhalten. Vor Gericht in Dresden beteuerten die bisherigen Zeugen aus dieser Gruppe kurz darauf, dass in Wieschkes NPD-Zentrale keine Trainings stattfinden würden. Angesichts der vielen, über mehrere Jahre eigenhändig veröffentlichten Fotos von KO51-Trainings im Flieder Volkshaus handelte es sich hierbei um gezielte Falschaussagen zum Schutz Wieschkes oder auf dessen Weisung.
Hand in Hand: AfD, NPD und Knockout 51
Mit Einzug der AfD in den Kreistag des Wartburgkreises und der Chancenlosigkeit der NPD jenseits von Stadtratswahlen verschoben sich auch in Eisenach einige Prioritäten. Die NPD begann, zur Wahl der AfD aufzurufen und die AfD schloss sich lokalen Initiativen der NPD an. Im Juli 2020 beteiligten sich gleich mehrere AfD-Stadtratsmitglieder an einem rassistischen NPD-Aufmarsch, der von Wieschke organisiert und von Knockout 51 angeführt wurde. Desweiteren liefen Dortmunder Mitglieder des Organisationsteams vom „Kampf der Nibelungen“ und der Rechtsrock-Händler Nils Budig mit. Dem Aufmarsch ging eine Polizeimeldung voraus, derzufolge eine junge Frau von mehreren Geflüchteten vergewaltigt worden wäre. Kurz nach dem Aufmarsch erklärte die junge Frau die Aussage für erfunden.
Überschneidungen zwischen NPD und AfD gab es bereits häufiger, wie 2020 das Beispiel Patrick Fleischer. Fleischer war 2013 noch als Nachwuchskandidat für die NPD im Wahlkampf aufgetreten und 2020 schließlich als Ordner bei der AfD-Bundestagsklausur in Suhl. Im Zuge der ausdauernden Proteste gegen die Maßnahmen des Corona-Infektionsschutzes in Eisenach bauten AfD, NPD und Knockout 51 ihre inoffizielle Zusammenarbeit aus. NPD-Kader mobilisierten einhellig mit AfD-KreispolitikerInnen und dem AfD-Bundestagsabgeordneten Klaus Stöber zu den unangemeldeten Demos. Knockout 51 stellte derweil mit vermummten Mitgliedern und Unterstützern die ersten Reihen, die rechte Transparente trugen und per Megafon die Aufmärsche dirigierten und aufheizten. Am 27.11.2021 gipfelte diese toxische Mischung unter der Eisenbahnbrücke an der Rennbahn in Angriffe auf eine Polizeikette, bei denen ein Beamter niedergeschlagen wurde. Ursache für den Angriff war nicht einmal eine Blockade des unangemeldeten Aufmarsches – die wie zumeist sehr Querdenken-freundliche Bereitschaftspolizei wollte bloß eine Kollision der Protestierenden mit dem noch fließenden Verkehr auf der Rennbahn verhindern. Bundestagsmitglied Klaus Stöber, der selber ebenso mitgelaufen war wie die NPD-Funktionärin Antje Voigt, stellte sich Tags darauf hinter den gesamten Aufzug:
Es waren weder Nazis noch Querdenker, sondern ganz normale Bürger, auch viele Jüngere, die das ständige Hickhack bei den Corona-Maßnahmen nicht mehr nachvollziehen können. Es war schön und teilweise ergreifend, mal wieder gemeinsam friedlich durch die Straßen zu gehen.
Stöber war erst im September per Direktmandat im Wartburgkreis in den Bundestag gewählt worden. Dabei könnte ihm auch der Aufruf Patrick Wieschkes zur Wahl der AfD geholfen haben. Zur Kommunalwahl 2022 rief Wieschke seine AnhängerInnen im April erneut dazu auf, ihre Stimmen der AfD zu geben. Die AfD im Wartburgkreis steht in vielen Fragen der Naziszene in nichts nach. Auch das Durchbrechen von Polizeiketten überlässt die AfD nicht nur den Schlägern von Knockout 51, sondern legt selber Hand an: Klaus Stöbers Wahlkreismitarbeiter Christoph Walter aus Geismar, gleichzeitig AfD-Fraktionsgeschäftsführer im Kreistag Wartburgkreis, war bei einer Querdenken-Demo in Erfurt am 29.1.2022 an einem Durchbruchsversuch durch eine Polizeikette beteiligt. Nur der Einsatz von Pfefferspray konnte ihn davon abhalten.
Durchsuchung im Flieder Volkshaus und Festnahmen bei Knockout 51 wegen § 129 am 6.4.2022
Am 6.4.2022 durchsuchte die Polizei bundesweit rund 60 Objekte der Naziszene. Laut Pressemitteilung des Generalbundesanwalts richtete sich ein Teil der Durchsuchungen gegen Knockout 51 als kriminelle Vereinigung und zusätzlich gegen Leon Ringl wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung. Letzteres betrifft Ringls Verbindung zur Terrorgruppe „Atomwaffendivision“. Im Zusammenhang mit Knockout 51 wurden insgesamt elf Objekte durchsucht. Darunter waren die Wohnungen von Leon Ringl, Maximilian Andreas, Eric Krempler und Bastian Adam (im hessischen Rotenburg), die mit Beschluss des Bundesgerichtshofes vom selben Tag auch in Untersuchungshaft genommen wurden. Die zweite verkündete Durchsuchung im Landkreis Rotenburg dürfte Marc Bulling getroffen haben, der aus Ronshausen bei Bebra stammt. In Erfurt wurde die Wohnung von Kevin Noeske in der Johannesstraße durchsucht. In Eisenach wurden neben den Wohnungen weiterer Mitglieder und Unterstützer das Bull’s Eye und das Flieder Volkshaus durchsucht. Der Generalbundesanwalt wirft Knockout 51 vor, durch Kampfsporttraining und Straßengewalt einen Nazi-Kiez in Eisenach errichtet haben zu wollen und auf Corona-Demos in Eisenach, Berlin und Kassel Polizist*innen und Linke angegriffen zu haben.
NBZ – Nazi-Hochburg – Nazi-Kiez
Die Generalbundesanwaltschaft wirft Knockout 51 vor, mittels körperlicher Gewalt einen Nazi-Kiez angestrebt zu haben. Warum die Behörde ausgerechnet im April 2022 entscheidet, dagegen vorzugehen, bleibt vorerst ihr Geheimnis. Bestrebungen dieser Art gab es in Eisenach in unterschiedlicher Stärke seit den Neunziger Jahren. Und auch die nun verfolgten Mitglieder von Knockout 51 zeigten bereits vor vielen Jahren teils mehr Aktivität und Militanz als dies aktuell der Fall war.
Das Konzept der “National befreiten Zone” (NBZ) wird in neonazistischen Kreisen seit Jahrzehnten diskutiert und versucht umzusetzen. Zu Elementen einer NBZ zählen für die Szene seit Langem eigene Immobilien, eigene Medien, alltägliche Präsenz in der Öffentlichkeit und brutale Gewalt gegen politische Gegner*innen und Menschen, die nicht in ihr rassistisches und antisemitisches Weltbild passen. Auch der Thüringer Heimatschutz war von diesem Konzept beeinflusst und die Gewalt gegen Antifaschist*innen und Migrant*innen, die in der Entstehungszeit des NSU in Thüringen ausgeübt wurde, kann in diesem Kontext gesehen werden. Die Eisenacher JN und Kameradschaft um Patrick Wieschke beschäftigte sich in ganzen Seminaren damit, wie rechter Terror eine territoriale rechte Dominanz erreichen kann. Mit der „Revolutionären Plattform – Aufbruch 2000“ (RPF), deren Sprecher der NSU-Helfer und V-Mann Tino Brandt war, wurden 2000-2001 im Wartburgkreis mehrere bundesweit beworbene Seminare abgehalten. Im März 2001 referierte hier Peter Naumann, der zu dem Zeitpunkt auf eine gute 20-jährige Aktivität als faschistischer Bombenleger und Milizionär zurückblicken konnte. Über die Teilnahme des von Patrick Wieschke angeführten NSAW erschien im Nachgang ein Bericht auf der eigenen Webseite. Gegen Wieschke liefen zu diesem Zeitpunkt bereits die Ermittlungen wegen seines Sprengstoffanschlags auf einen Döner-Imbiss wenige Monate zuvor. Bis zu seiner Verurteilung und Inhaftierung setzte Wieschke mit dem NSAW den NBZ-Kurs fort, indem im Internet, auf Flugblättern und Kundgebungen namentlich gegen Antifaschist*innen und Gewerkschafter*innen gehetzt wurde. Auch rassistische Übergriffe und Angriffe auf Punks und alternative Jugendliche häuften sich zur Jahrtausendwende im Raum Eisenach (eine detaillierte Chronik all dieser Aktivitäten lässt sich bei Mobit nachlesen).
Als 2014/2015 rassistische Mobilisierungen massiven Zulauf erhielten, entfaltete sich auch in Eisenach eine neue Dynamik. Patrick Wieschkes Ambitionen auf Bundesposten in der NPD waren durch die Thüringer Wahlschlappe und die Veröffentlichungen zu seiner misogynen Gewalt gerade zurückgestutzt worden. Während er sich vor der Wahl noch aus taktischem Kalkül öffentlich von NSU-Helfer Ralf Wohlleben und anderen militanten Rechten abgrenzte, waren ihm Gesten bürgerlicher Politik danach wieder gleichgültig. In Facebook-Beiträgen hetzte Wieschke ununterbrochen gegen Geflüchtete und Linke und rief dabei im Mai 2015 auch dazu auf, die eigenen Städte zu „Nazi-Hochburgen“ zu machen (s.o.) und somit Geflüchtete fernzuhalten. Auch wenn sein Post Bezug auf die Wortwahl eines Artikel der Leipziger Volkszeitung nimmt, knüpft Wieschke damit exakt an die alten Strategien der NBZ an. Im Praktischen begann im selben Jahr, die nächste Generation Eisenacher Nazis, dies umzusetzen. In den Folgejahren entfaltete sich durch Sachbeschädigungen, regelmäßige rechte Aufmärsche, persönliche Bedrohungen und zunehmende körperliche Angriffe eine neue rechte Dominanz auf den Straßen. Patrick Wieschke begleitete diese Entwicklung sehr eng und unterstützte die jüngeren Militanten mit aller Kraft.