Erschienen in der AIB 140 – 3.2023 | 22.11.2023
Wir schreiben eine Chronologie im ersten Musterprozess gegen die militante Antifa-Bewegung bis zum ersten Urteil.
Am frühen Morgen des 14. Dezember 2019 wurden fünf Personen nach einem Angriff auf den lokal und überregional organisierten und bekannten Neonazi Leon Ringl verhaftet. Vier der Personen wurden nach einer mutmaßlichen Flucht mit Fahrzeugen verhaftet, und eine weitere Person später in der Umgebung festgenommen. Die ersten vier wurden zur ED-Behandlung und DNA-Entnahme mit auf das Eisenacher Polizei-Revier genommen. Schon am Folgetag wurden die Namen der Verhafteten auf der Facebook-Seite des lokalen NPD-Funktionärs Patrick Wieschke veröffentlicht, nachdem die Eisenacher Polizei die vermeintlichen Opfer des Angriffs befragt und ihnen die Namen vorgelegt hat.
Hier begann eine bis heute andauernde Ermittlungsschleife verschiedener bundesweiter Repressionsbehörden. Verfolgung von Linken wird Chefsache Zunächst übernahm das Landeskriminalamt (LKA) Thüringen die Ermittlungen, welche sie jedoch schon Anfang 2020 an das LKA Sachsen übergab. Das sächsische LKA ermittelte fortan nach Paragraph 129 StGB (Bildung oder Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung). Dieser Paragraph gibt den Repressionsbehörden umfassende Befugnisse, um observative Maßnahmen gegen Beschuldigte durchzuführen.
Die „Soko LinX“, eine Sonderkommission des LKA Sachsen, ermittelt in diesem Fall und nutzt eben diese Befugnisse aus, um möglichst viele Informationen über die Beschuldigten und deren Umfelder zu sammeln. Im Zuge der Ermittlungen wurden mehrfach derartige Informationen an das extrem rechte Magazin „Compact“ durchgestochen. Gegründet wurde diese Sonderkommission im Alleingang von Sebastian Gemkov (CDU) im Wahlkampf 2019, nachdem es im Raum Leipzig zu diversen unaufgeklärten Straftaten gekommen war. Somit steht diese Einheit seit ihrer Gründung unter einem sehr hohen Erfolgsdruck und bemüht sich mit allen Mitteln, ihre Ermittlungsthesen zu vermeintlichen Wahrheiten werden zu lassen.
Im Sommer 2020 übernahm der Generalbundesanwalt (GBA) das Verfahren, überließ jedoch der „Soko LinX“ die Ermittlungsarbeit. Im Regelfall ist der GBA nur für solche Verfahren zuständig, welche eine besondere Bedeutung haben. Im Fall des „Antifa Ost-Verfahrens“ wird diese Bedeutung mit einer sogenannten „Schwelle zum Terrorismus“ begründet, da die Beschuldigten angeblich die Meinungsfreiheit eingeschränkt und Bevölkerungsgruppen verunsichert hätten.
Die ersten Hausdurchsuchungen
Im Juni 2020 wollen Observationsbeamt:innen beobachtet haben, wie diverse Personen aus dem Beschuldigtenkreis und deren Umfeld einen ebenso bekannten Neonazi aus Leipzig auskundschafteten. Hierbei handelte es sich um den damals angehenden Juristen Brian Engelmann, Kampfsportler, Teil der „Identitären Bewegung“ und Teil der Angreifer Gruppe bei dem „Sturm auf Connewitz“ vom 11. Januar 2016. Um den angeblich bevorstehenden Angriff auf ihn abzuwehren, entschieden sich die Behörden, Hausdurchsuchungen vorzuziehen. An diesem Tag wurde Lina E. erstmalig in Untersuchungshaft genommen und dann unter Auflagen wieder entlassen. Die durchsuchten Personen wurden unter anderem mittels Blitzerfotos, Verhaftungen in der Nähe Eisenachs und Personalienfeststellung in der Nähe zu einem anderen Zeitpunkt ermittelt. Bei den Durchsuchungen wurden diverse Dinge beschlagnahmt und im Folgenden ausgewertet. Einige der beschlagnahmten Dinge sollten als Indizien für die Ermittlungsthese der „Soko LinX“ dienen, dass es sich bei den Personen um Mitglieder einer kriminellen Vereinigung handeln würde und ihnen weitere Taten zur Last gelegt werden könnten.
Im November 2020 kam die zweite Durchsuchungswelle. Es wurde bekannt, dass der GBA nach Paragraph 129 StGB gegen die Beschuldigten ermittelt und Lina wurde nach Karlsruhe geflogen, um anschließend an den richterlichen Beschluss ihre über zweieinhalbjährige Untersuchungshaft in der JVA Chemnitz anzutreten. Diese Durchsuchungswelle traf weitere Personen, die nun in den Kreis der Beschuldigten aufgenommen wurden.
Vom Stricken einer Anklage
Parallel zu dem Paragraph 129 StGB in Sachsen führt der GBA ein weiteres Verfahren nach diesem Paragraphen in Berlin. Hierbei gibt es eine Überschneidung eines Beschuldigten, welcher Mitglied beider Vereinigungen sein sollte. Im Berliner Verfahren wurde unter anderem die Innenraumüberwachung von Fahrzeugen durchgeführt, also mindestens zwei Autos über ein Jahr, beziehungsweise sieben Monate verwanzt. Alle Gespräche in und um diese Fahrzeuge wurden abgehört und mit wenig Zeitverzögerung direkt an das Bundeskriminalamt (BKA) übermittelt. Das BKA gab alle Informationen, bei denen sie eine Relevanz für die Ermittlungen der „Soko LinX“ sahen, an eben diese weiter. Einige Gespräche aus den Fahrzeugen dienten der Bundesanwaltschaft als ausschlaggebend für ihre Ermittlungsthese und wurden so interpretiert, dass sie in das Konstrukt der Vereinigung passten. In der ersten Anklageschrift finden sie sich umfangreich wieder, um weitere beschuldigte und angeklagte Taten zu begründen.
Oberlandesgericht lässt Anklage zu
Die Anklageschrift wurde im Mai 2021 an vier der Beschuldigten zugestellt und der erste Prozess im „Antifa Ost-Verfahren“ begann im September 2021 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden. Dieses höchste Gericht ist zuständig, da der GBA die Ermittlungen übernommen hat und bedeutet, dass es keine Schöff:innen, sondern fünf Berufsrichter:innen gibt und keine Möglichkeit für ein Berufungsverfahren besteht.
Angeklagt waren neben der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung auch sechs Angriffe auf Neonazis in Ostdeutschland, Flucht vor der Polizei mit Fahrzeugen und Diebstahl beziehungsweise Nötigung. Der Prozess wurde zunächst auf etwa 50 Prozesstage bis März 2022 angesetzt.
Ein Schelm im Zeugenstand
Der erste behandelte Tatkomplex war ein Angriff auf den ehemaligen NPD-Stadtrat Leipzigs, Enrico Böhm. Im Anschluss an seine Aussage vor dem OLG Dresden gegen die dort angeklagten Antifaschist:innen, wurde auch er angeklagt, Mitglied einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129 StGB zu sein, da er den Neonaziversandhandel „Der Schelm“ betrieben hat. Am 2. Oktober 2018 wurde er beim Verlassen seiner Wohnung angegriffen und lieferte im Nachgang diverse eigene Recherche-Dossiers an die ermittelnden Behörden. (vgl. AIB Nr. 135) Der Tatkomplex wurde aufgrund der Aussagen zweier Zeug:innen, wonach eine Frau an dem Angriff beteiligt gewesen sein soll und wegen zweier DNA-Spuren in das Verfahren aufgenommen. Eine dieser Spuren ist eine Mischspur, welche ursprünglich gar nicht verwertet werden konnte, jedoch nachträglich explizit mit der DNA der beschuldigten Personen abgeglichen werden sollte. Jeder Versuch der Verteidigung, dem Gericht zu erläutern, dass derartige Mischspuren keinerlei Beweiswert haben können, schlug fehl. Das Gericht war überzeugt, dass die Spur zu einer der angeklagten Personen führe, stellte im Urteil jedoch fest, dass sie nicht belegen könnten, dass die Person sich auch am Tatort befunden habe.
Cedric Sch.
Im zweiten Tatkomplex wurde ein Angriff auf Cedric Sch., Aktivist der „Jungen Nationalisten“ (JN) und ebenfalls beteiligt am „Sturm auf Connewitz“, verhandelt. Am 30. Oktober 2018 wurde er in seinem Heimatort Kühren bei Wurzen angegriffen und nutzte dies, um sich in diversen Medienbeiträgen zu inszenieren. Im Prozess wurde er mit seinen übertriebenen Aussagen konfrontiert und gezwungen, diese zu relativieren. Das Indiz der Bundesanwaltschaft für die Beteiligung einer angeklagten Person waren Bilder des Wohnumfeldes von Cedric Sch., welche auf einem beschlagnahmten USB-Stick gefunden wurden und erneut die Aussage von Zeug:innen, dass eine Frau beteiligt gewesen sein soll. Es konnte nicht nachgewiesen werden, wer die Fotos getätigt und die angebliche Ausspähung oder gar den Angriff umgesetzt hat.
Greifvogel in Connewitz
Der dritte Tatkomplex war der Angriff auf einen Kanalarbeiter am 8. Januar 2019 in Leipzig Connewitz. Dieser Angriff wurde als besonders brutal beschrieben und das Gericht bemühte sich, den Angegriffenen als nicht rechts darzustellen. Der Kanalarbeiter hat jedoch sehr offensichtlich gelogen, als es darum ging, wie er zu einer Mütze der Neonzi-Marke „Greifvogel Wear“ gekommen sei. Er gab an, diese zu Zeiten, in denen er noch politisch rechts gestanden habe, von einem Freund geschenkt bekommen zu haben. Dieser genannte Zeitpunkt lag jedoch Jahre vor der Gründung der Marke. Auch im hiesigen Fall will ein Zeuge gesehen haben, wie eine Frau den Angriff abgesichert habe. Zudem wurde ein Gespräch aus der Innenraumüberwachung in dem Berliner Verfahren so interpretiert, dass eine Person die Beteiligung gestanden habe, die jedoch bisher nicht angeklagt wurde. Eine angeklagte Person wurde für diese Tat verurteilt, weil sie in der Nähe wohnte und die Fluchtrichtung in Richtung der Wohnadresse gewesen sein soll. Weitere Begründungen seitens des Gerichts hat es hierfür nicht gegeben, abgesehen von dem sogenannten Modus Operandi, also der Beteiligung einer Frau mit einem Pfefferspray.
Die Geburt der „Hammerbande“
In dem Tatkomplex zum versuchten Diebstahl von Tatwerkzeugen ging es um den Diebstahl zweier Hämmer im Wert von etwa 38 Euro. Die Bundesanwaltschaft bewertete dies zunächst als räuberischen Diebstahl und das Gericht stufte es herunter auf Diebstahl und Nötigung. Brisant war dies vor allem, weil sich die Tat in zeitlicher Nähe zum Angriff auf Leon Ringl ereignete und die Hämmer somit als geplante Tatwerkzeuge eingeordnet wurden. Obwohl im gesamten Prozess nicht nachgewiesen werden konnte, dass irgendwo Hämmer eingesetzt wurden, sondern vielmehr deutlich wurde, dass alle vermeintlich Geschädigten ihre Aussage diesbezüglich veränderten, nachdem die Presse den reißerischen Begriff der „Hammerbande“ nutzte, wurde nicht von dieser These abgelassen und die Person dafür verurteilt.
Dresden mit Nachspiel
Ein weiterer Tatkomplex war der Angriff auf Neonazis am Bahnhof Wurzen am 15. Februar 2020. Hier wurden mehrere Neonazis angegriffen, welche sich auf dem Rückweg von dem alljährlichen Neonazi-„Trauermarsch“ in Dresden befanden. Die „Soko LinX“ war der Meinung, zwei der Beschuldigten auf den Aufnahmen der Regionalbahn erkannt zu haben. Trotz diverser Gutachten und der Tatsache, dass es nicht möglich war, eine angeklagte Person zu identifizieren, blieb das Gericht der Auffassung, dass es sich um diese handeln würde. Die beiden Personen sollen die Neonazis im Zug ausgespäht und die Angreifenden über deren Ankunft informiert haben. Zudem wurden diverse Funkzellen ausgewertet und es wurde versucht, nachzuweisen, dass sogenannte Aktionshandys genutzt worden seien, deren Nutzung angeblich mit den Aufnahmen im Zug übereinstimmen würden, obwohl es auch hier deutliche Widersprüche gab.
Zwei weitere Angeklagte sollen an der Tat beteiligt gewesen sein, da sie sich zehn Stunden vor der Tat in einer anderen Stadt in einem abgehörten Auto darüber unterhielten, dass sie zusammen rumlaufen und Pfefferspray und Handschuhe mit sich führen würden. Der Senat war der Überzeugung, dass sie in diesem Gespräch den Angriff auf die Neonazis in Wurzen geplant hätten, statt darüber zu sprechen, zum sogenannten „Trauermarsch“ zu fahren. Der Senat begründete dies damit, dass die Angeklagten wüssten, dass ein Pfefferspray auf einer Versammlung wie der Gegenkundgebung in Dresden verboten sei und es somit in dem Gespräch um den Angriff in Wurzen am Abend gegangen sein muss.
Bezeichnend an diesem Tatkomplex ist zudem, dass durch die Staatsanwaltschaft Dresden parallel ein Verfahren für dieselbe Tat geführt wird, in welchem es bereits eine breite Zahl an Beschuldigten gibt.
Observationen in Leipzig
Ein Tatkomplex, welcher der Bestätigung des Konstrukts der kriminellen Vereinigung dienen soll, ist die Vorbereitung eines angeblichen Angriffs auf Brian Engelmann. Im Zuge von Observationen hätten die Behörden ermittelt, welches potentielle Opfer in der Nähe des Ortes wohne, an dem die Beschuldigten observiert wurden und kamen zu dem Schluss, dass es sich um Brian Engelmann handeln würde, welcher zu diesem Zeitpunkt sein erstes Staatsexamen schrieb. Durch die Aussagen der verschiedenen observierenden Beamt:innen wurde deutlich, dass sie möglicherweise sich gegenseitig und keine Tatverdächtigen beobachtet haben. Engelmann selbst sorgte für seinen Schutz, indem er Bekannte der „Identitären Bewegung“ als Begleitung zu seinen Prüfungen organisierte und sorgte durch seine Aussagen dafür, dass einer von ihnen, Florian M., ebenso als Zeuge bei Gericht geladen wurde.
Außerdem wurde die erste Genoss:in als Zeugin geladen und bei Verweigerung ihrer Aussage mit einem Ordnungsgeld überzogen, da sie nicht beschuldigt sei und dementsprechend kein Recht auf Aussageverweigerung habe. Zwei Monate später wurde ihre Wohnung durchsucht und ihr eröffnet, dass auch sie beschuldigt ist, Mitglied der kriminellen Vereinigung zu sein.
Die meisten sächsischen MEK-Beamt:innen erschienen mit Zeug:innenbeistand und es wurde deutlich, dass Teile von ihnen in den Munitionsklau und die Schießtrainings auf dem Gelände der „Baltic Shooters“ (vgl. AIB Nr. 131), mit Verbindungen zu „Nordkreuz“, verwickelt waren.
Eisenach I: Der Neonazitreff
In den letzten beiden Tatkomplexen ging es um Angriffe auf Leon Ringl in Eisenach. Am 19. Oktober 2019 wurde die Neonazi-Kneipe „Bullseye“ in Eisenach angegriffen, deren Betreiber Leon Ringl ist. Die Kneipe ist ein langjähriger Treffpunkt für militante Neonazis aus Thüringen und Austragungsort für RechtsRock-Konzerte. Die Indizien für die Beteiligung der angeklagten Personen sind erneut Angaben der Zeug:innen, dass zum einen Stunden vor der Tat eine Frau in der Kneipe auf die Toilette gegangen sei und zum anderen Neonazizeugen in ihrer zigsten Aussage bei den Behörden behaupteten, eine Frauenstimme während des Angriffs gehört zu haben. Die Aussagen der Neoazis waren hierbei widersprüchlich und inkonsistent. Auch die zeitliche Nähe zum Angriff auf Ringl selbst führte zu der Einschätzung, dass es einen Zusammenhang gäbe. Es wurde eine DNA einer bisher nicht angeklagten Person vor Ort gefunden, welche jedoch keinerlei Beweis für die Beteiligung der Angeklagten ist.
Zu Beginn versuchte die Oberstaatsanwältin der Bundesanwaltschaft, Alexandra Geilhorn, in der Anklageschrift ihre Interpretation eines abgehörten Gesprächs als Beleg für die Beteiligung eines Angeklagten zu nutzen. Diese Annahme wurde durch Recherche der Verteidigung widerlegt, welche feststellte, dass Frau Geilhorn selbst laut den Akten des Berliner Verfahrens ein Gespräch des Angeklagten an eben diesem Abend in Berlin zum Anlass nahm, eine weitere Rufnummer überwachen zu lassen – sie also wusste, dass der Angeklagte sich nicht in Eisenach, sondern in Berlin aufgehalten hat.
Auch ein weiterer Angeklagter wurde wegen einer belastenden Interpretation eines überwachten Gesprächs beschuldigt, an diesem Angriff beteiligt gewesen zu sein. Auch hier konnte dies mithilfe von Datenträgern, die bereits bei den Behörden liegen, widerlegt werden. Auch hier entschied das Gericht, eine Person zu verurteilen, da es der Überzeugung war, dass der Angriff dem sogenannten Modus Operandi der konstruierten Organisation entspreche. Immerhin soll trotz widersprüchlicher Aussagen eine Frau mit einem Pfefferspray beteiligt gewesen sein.
Eisenach II: Der Antidemokrat
Am 14. Dezember 2019 wurden die Neonazis Maximilian Andreas, Robert Sch., Nils A. und Leon Ringl in Eisenach angegriffen und kurz darauf die fünf oben genannten Personen verhaftet. Neben ihren widersprüchlichen Aussagen zum Geschehen, wurden die Neonazis zu ihren politischen Aktivitäten befragt. Auch hier wurde die Aussageverweigerung zurückgewiesen, obwohl die Bundesanwaltschaft bereits gegen einige der vermeintlich Geschädigten wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ermittelte. Sie sagten umfänglich zu ihrer Beteiligung an der Kampfsportgruppe „Knockout 51“ aus, wegen welcher einige kurz nach ihrer Aussage in Untersuchungshaft kamen und nun seit August 2023 vor Gericht stehen.
Gesunkene Voraussetzung für §129
In Bezug auf den Tatkomplex der Gründung oder Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung hatte die Anklage keinerlei Grundlage, abgesehen von einem angeblichen Modus Operandi. Dieser wurde von der Soko LinX immer wieder als Beleg für die Beteiligung der Beschuldigten an den Taten angeführt. Die Befragungen hierzu wurden jedoch durch das Gericht unterbunden, da dies Einblicke in die Arbeit der Behörden ermögliche. Es gab keinerlei Indiz für eine Vereinigung, weder einen Ort, noch ein Gründungsdatum, eine Finanzierung oder kontinuierliche Mitglieder. Um die Existenz der Vereinigung trotz dessen zu belegen, ordnete das Gericht die Aussagen des Kronzeugen und Vergewaltigers Johannes D. als glaubwürdig ein. Dieser berichtete von regelmäßigen sogenannten Szenariotrainings, an denen einige der Beschuldigten teilgenommen haben sollen. Zudem machte er Aussagen zu den von ihm eingeordneten Beziehungen und der Relevanz der Beschuldigten in der Vereinigung. Die „Soko LinX“ unterstützte ihn in der Belastung der Beschuldigten mit Interpretationen seiner Aussagen und Fragen, die ihn zu Spekulationen und Mutmaßungen veranlassten. Seine Aussagemotivation und -genese wurde kaum hinterfragt und trotz diverser Widersprüche fand das Gericht die gewünschten Belege für die Existenz der kriminellen Vereinigung.
Verrat und Ermittlungen dauern an
Es ist bekannt, dass Johannes D. bei weiteren Repressionsbehörden Aussagen gemacht hat und weiterhin machen wird. Mit den Urteilen nach 98 Prozesstagen vom 31. Mai 2023 – zwei Jahre und fünf Monate bis zu fünf Jahren und drei Monate – ist dieses Verfahren noch nicht beendet. Noch während der Prozess lief, hatten diverse Personen Hausdurchsuchungen und wurden in den Kreis der Beschuldigten aufgenommen.
Die „Soko LinX“ ermittelt weiter und arbeitet akribisch an ihrer selbsterfüllenden Prophezeiung. Mit den Verhaftungen von zwei Personen aus Berlin in Budapest im Februar 2023 weiteten sie ihre Ermittlungen aus und es wird öffentlich nach Personen aus Sachsen und Thüringen gefahndet. Sie bemühen sich ein möglichst drastisches Bild einer neuen RAF zu kreieren und repressieren die solidarische Bewegung, beispielsweise mit Verboten von Demonstrationen oder deren gewaltvoller Zerschlagung. Die deutschen Repressionsbehörden arbeiten eng mit den ungarischen zusammen und bemühen sich, diese bei der Identifikation weiterer Tatbeteiligter zu unterstützen. Zwei Personen aus Deutschland und Italien befinden sich weiterhin in Ungarn in Untersuchungshaft und werden auch dort beschuldigt, Mitglieder einer kriminellen Vereinigung zu sein. Sie erwarten hohe Haftstrafen unter den schlechtesten Bedingungen in Gefangenschaft europaweit.