Bericht vom 10. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden vom 14.10.21
Der 10. Prozesstag war geprägt von diversen Konflikten zwischen der Verteidigung, dem Gericht und der Bundesanwaltschaft. Als Zeuge wurde erneut der Neonazi Cedric Scholz geladen, dessen Vernehmung fortgesetzt wurde. Die Staatsschutz-Beamtin Doreen Meyer-Telle wurde ebenfalls vernommen, konnte allerdings wenig zum hiesigen Verfahren beitragen. Auch der Hausarzt von C. Scholz, welcher einige interessante Einblicke in dessen Befinden nach dem Angriff, sowie in seine charakterlichen Züge geben konnte, war zu diesem Tag geladen. Weiter stellten zwei Zeugen aus Scholz‘ Nachbarschaft ihre Erlebnisse dar.
Schon zu Beginn des Verhandlungstages stellte die Verteidigung einen Antrag auf Abladung des Geschädigten Cedric Scholz, da zunächst weitere Akten über ein Verfahren des Geschädigten beigezogen werden müssen, sogleich wurde auch dies beantragt. Die Prüfung der Akten wird nach Einschätzung der Verteidigung ergeben, dass der Zeuge unglaubwürdig ist, und weitere Erkenntnisse zu seiner Aussagemotivation geben. Wie schon des Öfteren an den vorangegangen Prozesstagen unterbrach der vorsitzende Richter den Antrag des RA Nießing mit der Begründung, er gebe vielmehr eine Erklärung ab als einen Antrag. Nach dem gewohnten Hin und Her zwischen Verteidigung und Vorsitzenden konnte der Antrag zu Ende vorgetragen werden. Dieser wurde sodann abgelehnt; der geforderte Beschluss des Gerichts bestätigte die Entscheidung des Vorsitzenden. In der für die Fassung des Beschlusses anberaumten Unterbrechung der Verhandlung verirrte sich ein Kamerad von Cedric Scholz in den Zuschauer:innenraum. Da aber kein Platz mehr zur Verfügung stand, begab er sich zunächst für eine Weile in eine Ecke, bis er von den Justizangestellten wieder nach draußen gebracht wurde. Die kurze Vorführung eines mit Bomberjacke und Bluejeans bekleideten Nazi-Skins erheiterte die Anwesenden sichtlich.
Nach Verkündung des Beschlusses sollte die Vernehmung des Geschädigten Cedric Scholz fortgesetzt werden. Der Anwalt Frank Hannig, der Scholz als Nebenkläger vertritt, erklärte, dass Scholz Strafanzeige gegen die Verteidigerin Weyers gestellt habe, da er sich beleidigt fühle. Sie soll ihn einen „Faschisten“ genannt haben. Aus diesem Grund möchte der Geschädigte keine Fragen der Rechtsanwältin beantworten. Der Richter bekundete, dies müsse er dennoch tun. Sogleich startete Rechtsanwältin Weyers mit ihren Fragen. Scholz behauptete, er sei schon 2017 vom Wohnort der Mutter zu seinem Vater nach Kühren bei Wurzen gezogen. Einen Leon Ringl aus Eisenach kenne er hingegen nicht, er wisse auch nichts davon, dass dieser Teil der „Jungen Nationalisten“ sei, obwohl er davon sicher Kenntnis hätte, wenn dem so wäre. Er kenne alle Personen, die aktiver Teil der Organisation sein. Weiter kam das Video des Berliner Neonazis Sebastian Schmidtke zur Sprache. In diesem Video wurde Scholz zu dem Angriff auf ihn interviewt. Auf die Frage, ob er in dem Video die Wahrheit berichtet hätte, antwortete Scholz vorerst mit „Ja“, woraufhin er nochmals auf die Wahrheitspflicht hingewiesen wurde. Während Scholz betreten schwieg, rollte Nebenklagevertreter Hannig mit seinem Bürostuhl zu seinem Mandanten hinüber und beriet ihn flüsternd, woraufhin Scholz seine Antwort berichtigte: „Nein, nicht die Wahrheit.“ Die Frage, wozu er denn nicht die Wahrheit gesagt habe, beantwortete der Zeuge mit der Aussage, er habe wohl etwas dramatisiert und überspitzt, vor allem bei den Kopfplatzwunden. RAin Weyers fragte daraufhin, wie viele er denn angegeben hätte und Scholz schätzte 25. Sie korrigierte ihn runter auf „nur 15“. Weiter fragte sie, ob er sich an die letzte polizeiliche Vernehmung erinnern könne und wisse, welche Angaben er zur Dauer des Angriffs gemacht habe. Er könne sich nicht daran erinnern, wisse aber nun, dass es etwa 10-15 Minuten waren, da jedes Dorf eine Kirche habe und diese um 19 Uhr geläutet hätte, kurz nachdem die Angreifenden weg waren.
In der Vernehmung hätte Scholz zudem angegeben, dass er von der Polizei zunächst als verdächtig eingestuft und erst im Nachgang als Geschädigter von den Sanitäter:innen behandelt wurde, jedoch konnte er sich jetzt nicht mehr an diese Aussage erinnern, wisse nur noch, dass die Polizei vor der RTW-Besatzung ins Haus kam. In seinen Sachen, die er beim Angriff bei sich trug, befand sich eine Sturmhaube zu der Scholz angab, dass er diese häufig bei sich trüge, da er sie zum Fussballtraining nutze. Ob beim Angriff auf Connewitz eine Sturmhaube beschlagnahmt wurde, wisse er nicht mehr, die oben genannte sei neu gewesen.Weiter ging es um Aussagen in der polizeilichen Vernehmung, die sich auf die Vorgehensweise der Angreifenden bezogen. Scholz habe gesagt, dass die Täter wohl keine Handys dabei hatten. Auf die Frage der Verteidigung, wie er darauf komme, gab er an, dass Personen, die einen hinterhältigen Angriff planten und Todesopfer in Kauf nehmen würden, kein Handy bei sich führen würden. Jeder wisse, dass die Polizei die Geräte abhören und auch Messengerdienste entschlüsseln könne. RAin Weyers wollte wissen, ob Scholz sich diesbezüglich schlau gemacht habe, woraufhin er entgegnete, er hätte Broschüren zur IT-Sicherheit gelesen. Im Anschluss wurden Lichtbilder des Tatorts gezeigt, um festzustellen, woher die angreifenden Personen gekommen seien. Trotz der Hunde der Familie Scholz, die anschlagen würden, sobald sich fremde Personen dem Haus nähern, sagte Cedric Scholz, die Personen hätten auch aus einem kleinen Weg am Haus von hinten zu ihm kommen können.
Anschließend betraf die Vernehmung Strafverfahren, die gegen ihn geführt werden oder wurden und Auseinandersetzungen, an denen er beteiligt war. Scholz arbeitete für eine kurze Zeit als Sicherheitsmitarbeiter bei REWE und wäre in diesem Zuge einmal in eine Auseinandersetzung mit einem Ladendieb verwickelt gewesen. Beim sogenannten „Sturm auf Connewitz“ war er dabei und wurde dafür wegen schweren Landfriedensbruchs gegen Geständnis zu 100 Sozialstunden verurteilt. Sein damaliger Verteidiger war ebenfalls Frank Hannig, welcher sich in der weiterführenden Befragung gegen Fragen in Bezug auf den Fall „Sturm auf Connewitz“ verwehrte. Zu Fragen, wie der Angriff abgelaufen sei, wer ihn koordiniert habe und mit wem er da war, wollte Scholz kaum Angaben machen, gab aber an, dass André und Basti von der JN aus Leipzig bei ihm gewesen waren. Vom Angriff habe er „unterwegs von irgendwelchen Leuten aus einer Whatsapp-Gruppe“ erfahren. Der Vorsitzende erwähnte Strafverfahren gegen Scholz seit 2015, hierbei handele es sich um das Tragen von Waffen auf öffentlichen Versammlungen, den fahrlässigen Umgang mit explosionsfähigen Stoffen und einen weiteren Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, an den sich Scholz jedoch nicht erinnern könne.
Im Nachgang ging es vor allem um Scholz‘ Zusammenarbeit mit den Behörden, er wurde mehrmals vernommen, hat jedoch nie angegeben, dass er eine Frau unter den Angreifenden gesehen haben will. Konträr dazu gab er jedoch in der letzten Vernehmung vor Gericht an, dass eine Frau beteiligt gewesen sein soll. Warum er dieses Detail in vorangegangenen Vernehmungen unerwähnt ließ, konnte er nicht begründen, obwohl er angab, dass er Interesse an einer polizeilichen Aufklärung des Falles hatte. Er hätte der Polizei Namen von Linken aus der Umgebung gegeben, nicht jedoch sein Telefon zur Verfügung gestellt, obwohl er darüber nach seiner Aussage Drohungen erhalten hätte. Laut seiner unbelegten Aussage müssten die Angreifenden aus der gewaltbereiten linken Szene aus Leipzig kommen, jedoch kannte er dort niemanden persönlich und konnte zu dem Kreis der Verdächtigen keine Namen nennen. Zudem wurde er gefragt, ob er schon einmal Anzeigen bei der Polizei erstattet hätte, woraufhin Scholz berichtete, dass seine Mutter wegen einer kaputten Scheibe an ihrem Haus und eines Drohbriefes, welcher auch an ihre Adresse geschickt worden sein soll, Anzeigen aufgab. Diesen Brief hatten sie jedoch bei der Stellung der Anzeige schon vernichtet. Er selbst habe vor etwa anderthalb Monaten eine Anzeige erstattet, da er auf einem Campingplatz von Personen mit u.a. „Free Lina“-Shirts erkannt und bedroht worden sein soll und seinen Urlaub abbrechen musste. Weitere Bedrohungen hätte er nicht angezeigt, weil die ersten eingestellt wurden. Hannig hatte im Anschluss noch einige Fragen an Scholz vor allem in Bezug auf seine Verletzungen. Er wollte wissen, ob er weiterhin beeinträchtigt sei und Schäden zurückgeblieben seien. Scholz berichtete von Narben und psychischen Schäden, er würde von Kindern gefragt werden, von wem er so entstellt worden sei und hätte Angst im Dunkeln, schlechte Träume, nehme zur Linderung aber keine Medikamente.
Dann fragte Hannig, ob Scholz einen der Angeklagten erkannt hätte, womöglich am Gang in den Pausen, dies verneinte Scholz, er könne jedoch auch niemanden ausschließen. Auf die Frage nach weiteren Bedrohungen in den letzten Wochen antwortete er, dass er verdächtige Fahrzeuge und Personen mit Kameras in seiner Wohnumgebung gesehen hätte. Diese Informationen hätte er einem Staatsschutzbeamten mitgeteilt, wisse jedoch dessen Namen nicht und wie er an die Nummer gekommen sei. Er notiere sich jedoch alle Kennzeichen, Marken und Farben der Fahrzeuge, die ihm auffallen würden, um sie gegebenenfalls an den Staatsschutz weiterzugeben. Zudem wurde ihm zugetragen, er stünde auf Todeslisten, mehr wisse er jedoch nicht. Seine Mutter hingegen hätte Anzeige erstattet, weil sie, als sie ihn zuletzt zum Prozess begleitet hat, von Angeklagten und Zuschauer:innen erkannt worden sein soll und sich bedroht gefühlt hätte. Weiter wurde er gefragt, ob er andere Geschädigte aus Wurzen kenne, was Scholz bejahte, er kenne Ben Heller und Lucas Zahner und wisse von dem Angriff in Wurzen im Februar 2020. Er hätte im selben Zug gesessen, wäre aber nicht bis nach Wurzen gefahren, sondern eine Station vorher ausgestiegen. Er konnte keine Person im Saal identifizieren, die mit im Zug gesessen habe.
Die Verteidigung versuchte in der folgenden Befragung herauszufinden, wie sich der Kontakt zwischen Scholz und dem Staatsschutz tatsächlich darstellt. Dabei ging es darum, mit wem er in den Vernehmungen gesprochen hat, wer ihm eine Telefonnummer gegeben hat, um sich direkt zu melden und wie oft Gespräche und welchen Inhaltes stattgefunden haben. Bei der Befragung wurden sie mehrfach von dem Vorsitzenden unterbrochen und es kam zu einer lauteren Auseinandersetzung. Der Vorsitzende und die Bundesanwaltschaft reagierten erbost auf den erneuten Vorwurf der Verteidigung, die Polizei würde mit Nazis zusammenarbeiten. Scholz sollte den Saal verlassen, damit eine Diskussion zur Zielrichtung der unterbrochenen Befragung möglich ist. Die Verteidigung ging dann auf den Vorsitzenden zu, indem sie angab, welche Informationen sie zu erlangen erhoffte. Daraufhin beanstandete der Vorsitzende mit diesem Wissen die Frage, was die Verteidigung als Vertrauensbruch anprangerte und ein zukünftiges Aufeinanderzugehen in solchen Fällen ausschloss. Die Bundesanwaltschaft unterstützte die Position des Vorsitzenden und die Verteidigung merkte an, es wäre ja auch eine Premiere, würden sie dies nicht tun oder sich gar kritisch gegenüber der Polizei äußern. Die Verteidigung forderte einen richterlichen Beschluss für die Beanstandung und der Vorsitzende kündigte an, diesen in der Pause auszuarbeiten. Nach der einstündigen Pause wurde verkündet, dass NK Hannig nicht mehr viel Zeit habe und der Zeuge Scholz zum 10.11.21 erneut geladen wird.
Auch der Hausarzt von Cedric Scholz, Dr. K, wurde als Zeuge geladen. Dieser arbeitet unterdies auch in demselben Krankenhaus, in dem Scholz behandelt wurde. Er sei von Scholz‘ Mutter angerufen und im Zuge des Telefonats von ihr gebeten worden, einen Hausbesuch durchzuführen, weil ihr Sohn im Rollstuhl sitze. Der Arzt sei hierüber verwundert gewesen, da Cedric Scholz laut dem im Krankenhaus angefertigten Bericht schon wieder mobil gewesen sei. Der Zeuge erklärte seine Skepsis weiterhin damit, dass Scholz zuvor schon mehrfach versuchte, unberechtigte Krankschreibungen von ihm zu erwirken und zwar in dem Ausmaß, dass Scholz‘ Ausbildung gefährdet gewesen sei. Schließlich seien am 14.11.2018 zwei Schwestern zum Wohnort des JN-Aktivisten gefahren und hätten die Kopfwunden „entklammert“. Er habe nach Angaben der Schwestern „fit“ gewirkt, insofern er mobil war und fast alle Verletzungen abgeheilt waren. Dies widerspricht der Aussage von Cedric Scholz erheblich. Außerdem äußerte Scholz, er habe einen Nasenbruch erlitten, von dem der Zeuge Dr. K. allerdings nichts wisse. Er halte es für unwahrscheinlich, dass die Fraktur bei der ärztlichen Untersuchung im Krankenhaus nicht aufgefallen ist. Er verneinte außerdem die Frage, ob Scholz einmal über psychische Folgen mit ihm gesprochen habe. Cedric Scholz wurde eine Woche stationär aufgenommen und machte rasche Fortschritte. Dr. Kuhn schrieb ihn – wie dieser beschrieb – aus Großzügigkeit für einen Monat krank und ordnete eine physiotherapeutische Behandlung an, „obwohl er außer Schmerzen nichts mehr hatte“, so Kuhn. Weiterhin bekam Scholz Ibuprofen verschrieben und deshalb auch Medikamente, die seinen Magen schützten. Es würde den Arzt sehr überraschen, wenn Scholz – entsprechend eigener Aussage – einen Monat bzw. ein halbes Jahr von einem Rollstuhl abhängig gewesen sei.
Der Vorsitzende befragte anschließend den Zeugen E., welcher auf dem Grundstück des Nachbarn von Scholz zum Essen gewesen sei, wobei die Anwesenden nicht unerhebliche Mengen Alkohol konsumiert hätten. Er habe gegen 19.00 Uhr gehört, wie jemand auf der Straße um Hilfe rief und sei daraufhin dort hin gegangen. Auf der Straße habe er eine Person am Boden liegen sehen und „vier Mann drum herum“, die auf die am Boden liegende Person eingeschlagen haben sollen. E. habe etwas gerufen, woraufhin die vier Personen an ihm vorbei und in die Richtung der B6 gerannt seien. Die letzte Person sei kleiner und dick gewesen und habe etwas wie „Scheiß Nazi“ gerufen. Genau wie Cedric Scholz trifft auch der Zeuge E. widersprüchliche Aussagen darüber, ob eine Frau am Angriff beteiligt war und erwähnt, dass „im Dorf auch darüber gesprochen“ wurde. Im polizeilichen Protokoll vom 02.11.2018 wurde festgehalten, dass E. auf Nachfrage geäußert habe, dass das Geschlecht der angreifenden Personen nicht erkennbar gewesen sei. Im Zeugenstand gab er jedoch an, dass es sich bei einer Person um eine Frau gehandelt habe.
Auf eine Frage der Bundesanwaltschaft zum genauen Tathergang antwortete E., dass er keine Schlaggegenstände wahrgenommen habe. Im Zuge der Befragung der Verteidigung äußerte E., Scholz habe alleine aufstehen und seine Sachen nehmen können, als der Zeuge zu ihm kam. Da E. auch auf Nachfrage der Polizei bei der Vernehmung nicht angab, dass sich unter den angreifenden Personen auch eine Frau befunden habe, stellt die Verteidigung einen Antrag, die Aussage des Zeugen in das gerichtliche Protokoll aufzunehmen. Dem Antrag wurde stattgegeben. Unklar bleibt ein Vermerk im Einsatzbericht der Polizei, man habe „an der Stimme erkannt“, dass drei Männer und eine Frau am Angriff beteiligt gewesen sein sollen, obwohl nur eine Person etwas gesagt habe. Im Anschluss an die Befragung merkte die Verteidigung an, sie wolle noch Anträge stellen. Der Vorsitzende meinte, diese seien auf den morgigen Tag zu verschieben, was seitens der Verteidigung zu Protest führte, doch der Vorsitzende ließ sich auf keine Diskussion ein. Befragt wurde danach ein weiterer Anwohner, Herr D., der ebenfalls bei Scholz‘ Nachbarn zum Abendessen war. Dieser sei nach E. zu Scholz gelaufen, habe allerdings nicht gesehen, wie die 4 Personen weggelaufen sind und auch keine weiteren Erkenntnisse.
Im Verlauf kommt es erneut zu einer harten Diskussion zwischen dem vorsitzenden Richter Schlüter-Staats und der Verteidigung über die zu stellenden Anträge. Nachdem der Vorsitzende die Anträge – obwohl diese für den nächsten Prozesstag relevant waren – nicht zuließ, beantragte die Verteidigung eine sofortige Unterbrechung der Sitzung, um mit ihren Mandant:innen zu klären, ob ein Befangenheitsantrag gestellt werden sollte. Die Verteidigung rügte insbesondere, dass der Vorsitzende durch den Prozess hetze und eine effektive Verteidigung verunmögliche. Das berühre den Grundsatz des fairen Verfahrens; doch der Vorsitzende lehnte die sofortige Unterbrechung ab.
Im direkten Anschluss wurde die letzte Zeugin dieses Tages aufgerufen: Kriminalhauptkommissarin Doreen Meyer-Telle, die am Abend des Angriffs Landesbereitschaft gehabt habe und zum Tatort gefahren sei. Bei ihrer Ankunft sei Scholz schon im Krankenhaus gewesen. Vor Ort soll ihr erzählt worden sein, dass vier Personen angegriffen hätten: drei männliche und eine weibliche. Sie weist jedoch daraufhin, dass sie keinerlei Erinnerung mehr an den Abend habe und ausnahmslos alle Informationen der Akte entnommen habe, die sie vor der Verhandlung gelesen habe. Auf die Fragen zur genauen Arbeit der Polizei mit Akten durch die Verteidigung lies Meyer-Telle ein Lachen vernehmen. Sie habe „ihre Akte“ gelesen, die sie sich von einem Sachbearbeiter aus einer anderen Dienststellen habe geben lassen. Sie habe aber nur ihren Einsatzbericht und die von ihr angefertigte Anzeige gelesen. Sie habe sich wegen „Durchstechereien“ der Akten im Juni/Juli ohne konkreteren Anlass mal kundig darüber gemacht, doch sagt nicht, was sie da gelesen hat. Doreen Meyer-Telle verneinte die Frage, ob sie Kenntnis davon habe, dass Dienstgeheimnisse an das als faschistisch einzustufende Compact-Magazin weitergegeben worden sind und begründet ihr Unwissen damit, dass sie zuletzt länger krank gewesen sei und sich nur auf ihre Genesung konzentriert hätte. Der Vorsitzende unterbrach daraufhin die Befragung, weil sich die Aussage der Zeugin mit einer vorherigen widerspreche. Die Verteidigung beschwerte sich, dass sie zum wiederholten Male ihre Befragung nicht ungestört fortführen konnte, nachdem der Vorsitzende ihr das Rederecht gegeben hat. Kurz nach 18.00 Uhr unterbrach Schlüter-Staats die Verhandlung, mit der Begründung, es sei eine Zumutung für die Zeugin und alle Anwesenden so lange im Saal zu sitzen.