Bericht vom 36. Prozesstag – 16.03.2022

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Bericht vom 36. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden am 16.03.22.

Der 36. Prozesstag begann mit einem Eklat. Zunächst bat die Verteidigung eines Angeklagten, einen Antrag zu stellen, was der Vorsitzende nicht zulassen wollte. Erst als gesagt wurde, dass es um ein Alibi geht, stimmte er zu. Nach dem Antrag wurde der Faschist und Kneipenbetreiber Leon Ringl aus Eisenach als Zeuge gehört und zu den Tatkomplexen Eisenach I und Eisenach II befragt.

Antrag: Alibi

Der Antrag beinhaltet vor allem entlastende Beweise, die der Bundesanwaltschaft bereits seit Oktober 2019 vorliegen und welche sie nicht entlastend genutzt haben. Der Fokus des Antrags ist der Tatkomplex Eisenach I, der Angriff auf die Neonazikneipe „Bull‘s Eye“ im Oktober 2019.

In einer bereits am 02.03.2022 abgespielten Audiodatei aus der Innenraumüberwachung eines Fahrzeugs aus einem anderen Verfahren, wurde ein Satz gesagt, welchen die Bundesanwaltschaft (BAW) so interpretiert, dass er nur den Schluss zulässt, einer der Angeklagten müsse an der Tat beteiligt gewesen sein. In dem Gespräch ging es darum, dass angeblich einer dieser Angeklagten einer weiteren Person in einem Gespräch über die Ermittlungsakten mitteilte, dass nur DNA für ihn problematisch sein könnte. Hierzu ist ein Lachen zu vernehmen und die Einschätzung, dass dies unwahrscheinlich sei.

Dass prinzipiell viele Möglichkeiten der Spurenübertragung in Betracht kommen, ist eigentlich bekannt und wurde vor allem im Zuge des laufenden Prozesses diskutiert und analysiert. Zum Gespräch selbst sagte die Verteidigung, dass eine Interpretation des Gesagten kaum möglich ist, da Gestik und Mimik nicht nachvollzogen werden können. Dies ist bei der Überwachung von Telekommunikation etwas anders, als bei einer Innenraumüberwachung, bei der die Menschen sich in einem Raum befinden und sich sehen können. Daher beantragte die Verteidigung zusätzlich eine Sachverständige für Sprach- und Kommunikationswissenschaften zu hören.

Insgesamt sind die Verteidigungsmöglichkeiten in diesem Fall, in dem sich alles auf die Interpretation der BAW stützt, sehr gering, nur ein Alibi kann helfen. Daher begab sich die Verteidigung auf die Suche nach einem und nutzt hierfür die Überwachungsmaßnahmen gegen ihren Mandanten aus einem anderen Verfahren. Sie wollen niemanden bloßstellen oder vorführen, weisen jedoch auf die ergebnisorientierte Beweisführung hin. Die BAW hielt die Beweise für die Tatsache, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt in Berlin gewesen ist, in Händen. Ein Verteidiger war in Meckenheim beim Bundeskriminalamt, um die Auswertung der Videoüberwachung des Hauseingangs des Angeklagten vollständig einzusehen und nach dem Tattag zu suchen.

Diese Suche ergab, dass der Angeklagte das Haus um 20:38 Uhr mit einem Fahrrad verlassen hat. Der Angriff auf das Bull‘s Eye hat zwischen 00:18 Uhr und 00:20 Uhr stattgefunden, also nur dreieinhalb Stunden, nachdem der Angeklagte das Haus verlassen hat. Zu diesem Zeitpunkt war er nicht in Besitz eines eigenen Fahrzeugs und es liegen auch keine Anhaltspunkte für ein Miet- oder Leihfahrzeug vor.

Die Verteidigung legte anschließend die unterschiedlichen Möglichkeiten, nach Eisenach zu gelangen, dar. Laut des Routenplaners von Google hätte man am Tattag 3 Stunden und 50 Minuten benötigt, um nach Eisenach zu gelangen. Ein Zug wäre laut Fahrplan um 00:10 Uhr am Bahnhof in Eisenach angekommen, hatte jedoch aufgrund eines Sturms am Tattag 90 Minuten Verspätung. Somit war das Erreichen des Tatorts kaum möglich, sofern man auch noch beachtet, dass das Fahrzeug hätte erreicht werden müssen, das Fahrrad abgeschlossen wurde, eventuell eine Schlüsselübergabe stattgefunden hat und dann in Eisenach noch ein Abstellen des Fahrzeugs, ein Kleidungswechsel und das Erreichen des Tatorts hätten bewerkstelligt werden müssen. Wäre der Angeklagte also mit dem Auto gekommen, hätte er permanent die Geschwindigkeit überschreiten müssen, es liegen jedoch keine Hinweise auf Blitzer zum Tattag vor.

In diesem Zusammenhang wurde beantragt, das Video des Hauseingangs hinzuzuziehen und entsprechende Nachweise zu Fahrzeiten und Zugverbindungen und -verspätungen. Zudem wurde am 16.09.2020 die Wohnung des Angeklagten durchsucht und hierbei ein Mobiltelefon sichergestellt, welches das am 18.10.2019 genutzte Telefon sein soll. Dieses Telefon liegt als Asservat weiterhin beim BKA und wurde bisher trotz mehrfacher Nachfragen nicht herausgegeben, um die Geodaten zu prüfen. Der Angeklagte war jedoch am Tattag mit einer Person unterwegs, gegen welche auch Überwachungsmaßnahmen liefen, weswegen sich die Geodaten aus dessen Telefon in den Akten finden. Diese belegen, dass er sich an der Wohnanschrift des Angeklagten aufgehalten hat, zu der Zeit, die auch mit der Kamera vor dem Haus korrespondiert, das Haus verlassen hat und dann zu zwei Lokalitäten in Berlin gefahren ist, um ebenso korrespondierend mit der Kamera vor dem Haus, wieder zurückzukehren.

Um auch anhand der Geodaten des Mobiltelefons des Angeklagten nachvollziehen zu können, ob er sich die ganze Zeit über in Berlin aufgehalten hat, müsse dies entsperrt werden. Die Verteidigung hat angeboten, das Telefon durch ihren Mandanten entsperren zu lassen, gab hierfür jedoch einige Bedingungen an. Das Telefon würde nur entsperrt werden, wenn eine unabhängige Behörde dies vornehmen würde, das BKA, die BAW und die Generalstaatsanwaltschaft Gera keinen Zugriff darauf hätten und der Auswertezeitraum sich nur auf den Abend des 18.10.19 und den Morgen des 19.10.19 beschränken würde.

Hinzu kommt ein weiterer entlastender Beweis, den wiederum die BAW in den Händen hielt. Die Verteidigung will diesen einbringen, falls der Senat die oben vorgeschlagene selektive Verwertung ablehnt. Ebenso aus der Telekommunikationsüberwachung im Berliner Verfahren wird deutlich, dass Frau Geilhorn von der BAW seit mindestens Ende Oktober 2019 Kenntnis von den entlastenden Beweisen hat und diese sogar für weitere Maßnahmen nutzte. Das oben genannte, bereits abgehörte, Telefon und damit der Anschlussinhaber hat in der Tatnacht versucht, Kontakt zu dem Mobiltelefon aufzunehmen, welches dem Angeklagten zugeordnet wurde. Es gab mehrere Kontaktversuche und um 23:03 Uhr, also etwas über eine Stunde vor der Tat in Eisenach, kam es zu einem Gespräch. Es wurde sich verabredet, sich in 2 Minuten an einem Ort in Berlin zu treffen.

Aufgrund diesen Gesprächs beantragte die Oberstaatsanwältin Geilhorn von der BAW, dass das Mobiltelefon, welches hier angerufen wurde, überwacht wird, weil sie davon ausging, dass es sich um das des Angeklagten handelte. Sie nahm dieses Telefonat also zur Kenntnis und erwirkte aufgrund dieses Telefonats einen Beschluss, um das entsprechende Telefon abzuhören, weil sie der Meinung ist, dass dort der Angeklagte gesprochen hat.

Schließlich fasste die Verteidigung alle dargelegten entlastenden Beweise zusammen und legte eine Chronik des Abends dar, die rein auf den Überwachungsmaßnahmen aus den Berliner Akten basieren, die aber nicht zur hiesigen Akte genommen wurden. Es war nur möglich, diese entlastenden Beweise zu finden, da ein Verteidiger im hiesigen Verfahren auch in dem anderen Verfahren vertritt und somit Zugriff auf die Akte hat. Durch den Senat wird immer wieder darauf verwiesen, dass die Ermittlungsbehörden ordentlich arbeiten, jetzt jedoch wird der Senat zur Auffassung gelangen müssen, dass die Interpretation der abgehörten Gespräche durch die BAW ad absurdum geführt wurden und andere Interpretationen, auch in anderen Gesprächen, möglich ist, argumentiert die Verteidigung weiter.

Der Vorsitzende Schlüter-Staats reagierte auf diesen Antrag abwehrend und hat einen essentiellen Part offensichtlich nicht verstanden. Er meinte, diese Telekommunikationsüberwachung sei sehr speziell und es sei nachvollziehbar, dass Frau Geilhorn nach einem Jahr nicht im Detail eine Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) auf dem Schirm haben müsse. Damit ignorierte er den Fakt, dass es nicht irgendeine Überwachung war, sondern eben ein Gespräch, welches Frau Geilhorn zum Anlass nahm, das Telefon des Angeklagten zu überwachen, also bewusst damit gearbeitet hat.

Zur Interpretation der Innenraumüberwachung nahm er ebenso die BAW und insbesondere Frau Geilhorn aus der Schusslinie und meinte, diese Kritik gehe an den Senat, da sie die Interpretation als nachvollziehbar angesehen hätten. Er gab an, dass sie sich den Vermerk zur Videoüberwachung sicherlich vom BKA beschafft hätten, bevor das Urteil falle.

Alexandra Geilhorn, Oberstaatsanwältin am Bundesgerichtshof hatte nicht viel zu dem gestellten Antrag zu sagen, obwohl ihre Fehler und ihre Verantwortung sehr deutlich auf der Hand liegen. Sie gab nur an, dass dem Angeklagten ja auch ein Motorrad zur Verfügung stehen würde und es üblich sei, dass Telefone bei Straftaten zu Hause gelassen werden würden.

Der Vorsitzende sagte nur noch, dass man ja das entsprechende Telefonat hören könne und dann feststellen würde, ob es sich um die gleiche Person handeln würde, die auch in dem abgehörten Fahrzeug spricht.

Stellungnahme: (Leider) nicht überwacht

Im Anschluss nahm auch die Verteidigung eines weiteren Angeklagten Stellung zu dem vorhergehenden Antrag. Ihr Mandant ist nur wegen eines Audioprotokolls überhaupt im hiesigen Verfahren angeklagt und auch dieses Gespräch bietet diverse Interpretationsmöglichkeiten. Die BAW hat hier eine möglichst nachteilige Auslegung für ihren Mandanten gewählt, dies ist reine Spekulation und nicht zulässig.

Der Verteidigung wurde ein Alibi für den Tag abverlangt und dies bedeutet eine Beweislastumkehr, wenn also kein Beweis für die Unschuld vorliegt, muss eine Verurteilung befürchtet werden. Somit muss die Verteidigung bedauern, dass ihr Mandant zum Tatzeitpunkt nicht vollumfänglich überwacht wurde und deswegen kein Alibi für einen Zeitraum von neun Stunden vorlegen kann.

Der Vorsitzende meinte, sie würden ständig alles kritisch überprüfen, woraufhin die Verteidigung angab, dass das Dargelegte weit über einen Einzelfall hinausgeht. Zudem war es irritierend, dass die BAW zum ersten Antrag nur sagte, der Angeklagte könnte ja ein Motorrad genutzt haben, bald müsse die Verteidigung noch beweisen, dass den Angeklagten kein Privatjet zur Verfügung stünde.

Zeuge Leon Ringl

Um 10:25 Uhr begann dann die Vernehmung von Leon Ringl, welcher mit seinem Nebenklageanwalt Kruppe (ehemals Tripp) in den Zeugenstand trat. Leon Ringl ist 24 Jahre alt und arbeitet als Gastwirt, auf Nachfrage gab er an, keine weitere Ausbildung zu haben.

Eisenach I

Die Befragung galt den zwei Tatkomplexen zu Eisenach und begann mit dem Angriff auf die Kneipe Bull‘s Eye, deren Pächter Leon Ringl ist. Er gab an, dass er zwischen Mitternacht und 01:00 Uhr Feierabend machen und im Anschluss mit Freunden in den Klapperstorch gehen wollte. Er habe schon aufgeräumt und Gläser gespült und auch den Taxifahrer gerufen, welcher bereits ausgesagt hat.

Es seien noch etwa fünf Gäste anwesend gewesen, als Vermummte herein gekommen seien und auf die Anwesenden eingeschlagen hätten. Die Angreifenden seien zu viert oder fünft in den Tresenraum gekommen, der erste habe auf einen Gast eingeschlagen und ein weiterer sei zu ihm gekommen.

Ringl selbst habe sich mit Bierkrügen gewehrt und meinte, der Angriff hätte zwischen 30 und 60 Sekunden gedauert. Eine Frau habe das Signal zum Rückzug gegeben und dann Pfefferspray gesprüht. Die Angreifenden im Tresenraum seien männlich gewesen und wahrscheinlich mit Teleskopschlagstöcken bewaffnet. Ringl habe versucht seinen Baseballschläger zu erreichen, welcher hinter dem Tresen deponiert sei, dieser sei weggerutscht und deswegen habe er Gläser zur Verteidigung geworfen. Er sei Linkshänder und habe die Gläser genutzt, um sich zu verteidigen und seinen Arm, um sich zu schützen. Mit dem ersten Glas habe er den Angreifer gegen den Kopf geschlagen und es sei dabei zerbrochen. Mit dem zweiten Glas habe er nach dem Angreifer geworfen, um ihn auf Distanz zu halten.

Vor allem der Vorsitzende, aber auch zeitweise der Beisitzer Andreae befragten Ringl akribisch zu den Positionen, die seine Kundschaft, vor allem Bornhardt, Fitzner, Taxi-Klaus und Maximilian Andreas vor der Bar eingenommen hatten und wie sie auf den Angriff reagierten.

In seinen polizeilichen Vernehmungen gab er in Bezug auf die Angreifer unterschiedliche Dinge an. Er ordnete Größe und Augenfarben unterschiedlichen Personen zu und gab in mehreren Vernehmungen an, dass er niemanden habe reden hören. Erst nachdem die Namen einiger Beschuldigter nach Eisenach II bekannt wurden, gab er an, er habe die Stimme der Frau zweifelsfrei wiedererkannt.

In einer der ersten polizeilichen Vernehmungen gab Ringl an, während des gesamten Angriffs hätte „niemand etwas gesagt“. Wie er nach dem zweiten Angriff und auch heute dann die Stimme erkannt haben könne, beantwortete er damit, dass er wohl vergessen habe, die Stimme der Angreiferin zu erwähnen beziehungsweise könne es auch sein, dass dies nicht aufgeschrieben wurde. Heute jedenfalls sei er sicher, dass die Person mit dem Pfefferspray auch diejenige gewesen sei, die das Signal zum Rückzug gab und dies müssen eine Frau gewesen sein.

Dieses Signal, auch Ringl sprach in der Vernehmung von „Kommando“, wird von der Bundesanwaltschaft in der Anklageschrift zitiert, um zu belegen, dass es sich um einen gut strukturierten und koordinierten Angriff handeln müsse. Ebenfalls solle diese Kommandofunktion die besondere Stellung der Angeklagten belegen. Wundersam, dass Ringl bevor er Kenntnis von der Festnahme einer Frau erhielt, nie von deren Stimme und auch nicht von einem Kommando sprach.

Im Verlauf der Vernehmung wurden weitere Details zum Angriff abgefragt, beispielsweise wurde festgestellt, dass eine Beschädigung in einer Trockenbauwand wohl von einem Glas mit Dartpfeilen herrühre, die im Gastraum, der dem Tresenraum vorgelagert ist, standen.

Etwas Verwirrung trat ein, als Ringl angab, er dachte bei dem Angriff zuerst an einen Scherz von Freunden, so kamen ihm insbesondere die stechend blaue Augen eines kleineren Angreifers bekannt vor.

Auf die Frage, woher er die Angeklagte kenne, gab Ringl an, von ihr aus der Medienberichterstattung in Folge der Festnahmen gehört zu haben. Die Richterin Horlacher befragte den Zeugen im Anschluss zu Verletzungen, die er bei dem Angriff davon getragen habe, diese beschränkten sich auf Augenreizungen und Schmerzen am Unterarm.

Auch Leon Ringl berichtete in der Folge von einer jungen Frau, die einige Stunden vor dem Angriff in die Kneipe kam und fragte, ob sie die Toilette benutzen dürfe. Im Einklang mit den Zeugenvernehmungen, die während der Ermittlungen gegen die Angeklagten stattfanden, beschrieb er diese stark abweichend von der Person, die das Pfefferspray benutzt und das sogenannte Kommando gegeben haben soll.

Nach der Mittagspause wurde der Zeuge zu weiteren Unstimmigkeiten zu seinen vorhergehenden Aussagen befragt, er gab hierbei an, dass er sich an die Vernehmungen bei der Polizei erinnern würde, jedoch nicht mehr an das Geschehene selbst. Dies löste auch beim Vorsitzenden Skepsis aus, wurde jedoch letztlich so akzeptiert.

Noch einmal zu dem Moment befragt, an dem der Zeuge das erste Mal den Namen der Angeklagten hörte, gab dieser nun an, nach dem zweiten Angriff vor seiner Wohnanschrift schon auf der Polizeistation vom Ermittler Morgenweck gefragt worden zu sein, ob er denn mit den Beschuldigten, die in der selben Nacht festgenommen wurden, verwandt oder verschwägert sei.

Das Gericht hielt ihm seine Aussage von damals, in der er Angab „wir wissen ja wie sie aussieht“ und dass ihm dies zugespielt worden sei, vor. Hier musste Ringl eingestehen, dass es sich bei der anonymen Quelle um Maximilian Andreas handelte, der die damals Festgenommenen auf der Wache zu Gesicht bekam, da die zuständigen Beamt:innen diese an den geschädigten Nazis vorbeiführten.

Eisenach II

Im Anschluss dieser Ausführungen berichtete der Neonazi von dem Angriff, der vor seiner Haustür stattfand. Er sei von Schwaab, Ackermann und Andreas nach Hause gefahren worden, hätte das Fahrzeug verlassen und sei kurz darauf, beim Überqueren der Straße von ungefähr zehn Personen angegriffen worden. Als ihm eine Person Pfefferspray ins Gesicht sprühte, zog er ein Messer, hielt es vor sich. Laut einer vorherigen Aussage rief er hierbei: „Ich habe ein Messer. Ich steche euch alle ab“, woraufhin ihn eine weibliche Person aufforderte, sein Messer zu zeigen, sodann würde sie den Angriff abbrechen. Ein weiterer Angreifer soll versucht haben, sich an ihm vorbei zu drängen, was er angeblich mit Stichbewegungen in dessen Richtung verhinderte. Nachdem Ringl sein Messer weiter vorhielt, entfernten sich die Angreifer von ihm, was er nutzte, um über einen Zaun zurück zu seiner Wohnung zu flüchten.

Der Senat befragte den Zeugen zu weiteren Umständen, so zum Beispiel zu den von den Angreifenden genutzten Fahrzeugen. Bei den meisten Details gab Ringl an, dass er sich auf seine Aussage bei der Polizei berufen müsse und keine eigenen Erinnerungen mehr habe.

Auf Fragen der Verteidigung, welche Akten er einsehen konnte, erklärte Ringl, dass er im Büro seines Anwalts Manuel Kruppe ein Tablet zur Verfügung gestellt bekommen habe, worauf er sich die Ermittlungsakte anschauen konnte. Er hätte sich hauptsächlich für die Anklageschrift interessiert, aber könne sich auch nicht mehr genau erinnern, welche Dokumente er gelesen habe. Auch ob er seine eigenen Zeugenaussagen noch einmal lesen konnte, wusste er nicht mehr.

Ringl und Ackermann mit Hakenkreuz und Hitlergruß

Als ein Verteidiger ein Bild, welches in der Nacht zu Ringls Geburtstag am 29.01. diesen Jahres entstand, auflegte, welches Ringl, Ackermann und andere Neonazis, zum Teil mit Hitlergruß vor einer Hakenkreuzfahne im Flieder Volkshaus zeigtverweigerte dieser die Aussage, da er sich aufgrund eines Strafverfahrens, das gegen ihn eingeleitet wurde, nicht selbst belasten möchte.

Bundesanwaltschaft und Gericht waren sich über die Rechtmäßigkeit der Aussageverweigerung einig, trotz der Erklärung, dass die Fragen der Verteidigung nicht darauf abzielten, dass sich Ringl selbst auf dem Bild zu erkennen gibt. Vielmehr konnte festgestellt werden, dass die Angaben des Zeugen Ackermann, er habe schon länger nichts mehr mit Nazis zu tun und kaum Kontakt zu diesen offenkundig falsch waren, so war diese Aussage nur wenige Tage nach Entstehung des Bildes von ihm getätigt worden.

Zu einem, vom Berliner NPD Funktionär Sebastian Schmidtke erstellten, Propaganda Video befragt, gab Ringl widersprüchliche Angaben. Nachdem sich abzeichnete, dass der Vorsitzende seine Worte protokollierte, um ein Strafverfahren wegen uneidlicher Falschaussage in die Wege zu leiten, gestand der Zeuge doch ein, in dem Film gelogen zu haben und die Tat reißerisch dargestellt und letztlich falsche Angaben gemacht zu haben.

Nachdem der Zeuge zum Ende des Prozesstages den Raum verließ, erkundigte sich die Verteidigung, ob das Gericht ebenfalls zu der Auffassung gekommen wäre, dass Ringl kein verlässlicher Zeuge sei oder ob die Befragung am nächsten Prozesstag in gleicher Intensität fortgesetzt werden müsse. Der Vorsitzende erwiderte, er möchte keine Wasserstandsmeldungen geben und beabsichtige durchaus, den Faschisten auch am nächsten weiter zu befragen.

Der Prozesstag endete gegen 17Uhr.

Der nächste Prozesstag ist der 17.03.22 um 09:30 Uhr am Oberlandesgericht Dresden.