Bericht vom 40. Prozesstag – Mittwoch, 30.03.2022

Du betrachtest gerade Bericht vom 40. Prozesstag – Mittwoch, 30.03.2022
  • Lesedauer:24 min Lesezeit

Bericht vom 40. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden am 30.03.22.

Am 40. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren ist der BKA-Beamte Wagner nicht erschienen, wahrscheinlich aufgrund einer Infektion mit Corona. Es wurden mehrere Erklärungen zu Vernehmungen von Zeug:innen des 39. Prozesstages verlesen und diverse Anträge gestellt. Zudem führte der Senat Lichtbildmappen ein. Es wurden zwei weitere Zeugen für diesen Prozesstag gehört. Der erste war KHK Bastian Reimer von der Soko LinX, welcher zur Stimmidentifizierung befragt wurde. Der zweite Zeuge ist ein Nachbar von Leon Ringl und wurde zum Tatkomplex Eisenach II befragt.

Erklärungen und Anträge der Verteidigung

Zu Beginn des Prozesstages gab RA Klinggräff eine Erklärung zur Vernehmung der letzten Zeugin am 24.03.22 ab. Diese sagte zum Tatkomplex Eisenach II als Nachbarin aus, dass sie von trommelnden Geräuschen wach geworden sei. Ihrer Aussage nach haben 4-5 Personen auf ein Auto eingeschlagen, wobei unklar war, ob alle Personen beteiligt waren oder Gegenstände in den Händen hatten. Besonders wichtig ist die Frage, ob der Angriff auf das Auto vor oder nach Wegfahren des Fahrzeugs endete. Laut der polizeilichen Vernehmung sei der PKW losgefahren, nachdem die Angreifenden sich von dem Fahrzeug entfernt hätten. Für das Ablassen gab es keinen extern erkennbaren Grund. Außerdem hat die Zeugin ausgesagt, dass sie zwar eine weibliche Stimme wahrgenommen habe, diese Person aber nicht unmittelbar am Angriff mitgewirkt habe. Vielmehr habe diese Stimme von einem zweiten Auto aus sinngemäß „Kommt her, Hört auf“ gerufen. Diese Passage wurde im Verfahren als Urkundsbeweis eingeführt, welcher geeignet ist, die Zeugenaussagen der Geschädigten in Zweifel zu ziehen. Diese meinten nämlich, dass das Auto wegfuhr und der Angriff erst daraufhin endete. Insgesamt ist von einer deeskalierenden Rolle der weiblichen Person auszugehen. Zudem ist die Zeugin im Gegensatz zu den Nebenklägern Ackermann und Schwaab als neutral einzuordnen, da sie selbst keine Interessen in diesem Prozess verfolgt. Dies verleiht ihr eine besondere Glaubhaftgkeit. Darüber hinaus ist die Aussage der Zeugin allein und ohne Absprache mit anderen getätigt worden, im Gegensatz zu den Geschädigten, bei denen eine Gruppenerinnerung vorliegt. Außerdem beantragt die gesamte Verteidigung, einen weiteren Zeugen aus der Nachbarschaft zu laden und anzuhören. Dieser wird bezeugen, dass die Aussage der Zeugin in den wesentlichen Punkten stimmt. Demnach waren 7 Personen am Auto, die auf Ruf einer weiblichen Stimme von diesem abgelassen hätten, woraufhin sich das Auto in Richtung Rennbahn entfernte.

Anschließend gab die Verteidigung eine Erklärung nach §257 zur Vernehmung des ersten Zeugen des 39. Prozesstages zum Tatkomplex Eisenach I ab. Die Angaben des Zeugen zum Geschehen vor dem Bull’s Eye sind unklar, widersprüchlich und teilweise nachweislich falsch. Zum Hintergrund: Die Problematik liegt in der Suggestivität des Zeugen, der versuchte, Lücken in der Erinnerung durch Beteuerungen und Ausschmückungen zu füllen; dies wurde anhand der Aussagen zum Geschehen vor dem Angriff deutlich. Der Zeuge machte widersprüchliche Aussagen zum Vorgang des Geld Holens in der Eisenacher Innenstadt: Er habe keine Maske dabei gehabt, deshalb sei der Zeuge allein in die Sparkasse gegangen und hätte anschließend die Maske zurück gegeben, damit seine Freundin in den Rewe gehen konnte. Zu diesem Zeitpunkt, im Oktober 2019, war die Coronapandemie jedoch noch gar nicht bekannt und folglich galt auch keine Maskenpflicht in Supermärkten. Dies lässt auf ein reines Fabulieren des Zeugen schließen, dem die Richter:innen lächelnd und nickend zustimmten.

Außerdem gab es eine Ungereimtheit beim Zigarettenkauf: Dieser sei das letzte Ereignis gewesen vor dem Weg zum Bull’s Eye. Der Weg Rewe-Bull’s Eye beträgt ca. 190 Meter und ist in ca. drei Minuten zu bewerkstelligen. Nach Aussage des Zeugen habe der Rewe bis 00:00 Uhr offen, dementsprechend müsste der Angriff mindestens eine Viertelstunde früher stattgefunden haben, als die Beweisaufnahme bisher ergab. Außerdem ergaben sich Fragen in Bezug auf ein eventuell mitgeführtes Fahhrad des Zeugen. Zunächst ging der Zeuge davon aus, dass er das Fahrrad während des Angriffs mitgeführt habe; nachdem er mit dem Video konfrontiert wurde, das den Zeugen am Abend zeigte, sagte der Zeuge „kann schon sein, aber ich hatte ja mein Fahrrad dabei“; sodann ging der Zeuge davon aus, dass er das Rad im Keller des Bull’s Eye gelassen habe und erst später nach dem Angriff vor dem Bull’s Eye angeschlossen habe. All dies machte deutlich, dass der Zeuge keine wirkliche Erinnerung mehr an das Geschehen hat und Gedächtnislücken mit Geschichten ausfüllte. Außerdem machte er Angaben zu den Wahrnehmungsbedingungen an dem Abend des Tatgeschehens: Der Zeuge gab an, dass der Straßenverkehr die Sicht auf das Bull’s Eye beeinträchtigte und weiterhin, dass das Geschehen etwa sechs Minuten dauerte und zahlreiche Autos, insgesamt fünf, in dieser Zeit vorbei gefahren seien. Dies stellte erneut einen Widerspruch zu den bisherigen Zeugenaussagen dar, die von etwa 30 Sekunden ausgingen. Auf dem Video der Firma Feuerstein ist zu sehen, dass in der Zeit des Angriffs kein einziges Auto die Straße passierte, außerdem sieht man deutlich, dass, anders als ausgesagt, die Straßenlaternen noch brannten. Zu den Licht- und Sichtverhältnissen am Abend insgesamt sagte der Zeuge aus, dass es zum Zeitpunkt des Zigarettenkaufs bereits sehr dunkel gewesen sei. Zudem habe er quietschende Reifen gehört. Er habe dieses Geräusch gehört, als die Angreifenden wegrannten. Die damalige Freundin des Zeugen habe in diese Richtung geschaut, die Fahrzeuge gesehen, aber nicht mehr auseinanderhalten können, welche Autos Fluchtautos waren und welche normaler Verkehr.
Diese Wahrnehmung wurde von der Zeugin ganz anders geschildert. Die Verteidigung bemerkte, dass quietschende Reifen aber zur allgemeinen Vorstellung einer Flucht passen würden. Zu den Personen vor dem Bull’s Eye führte der Zeuge beim erstem zusammenhängenden Bericht aus, weder ein Pfefferspray noch einen Müllsack gesehen zu haben. Später behauptete er das Gegenteil. Zu der Frau sagte der Zeuge auf Vorhalt aus dem Protokoll, dass diese aus dem Bull’s Eye gerannt gekommen sei und er sie an den langen Haaren und einer Busenwölbung unter der Jacke als Frau identifiziert habe. Zu dem Vorhalt zu einer roten Jacke oder Weste sagte er, dass es aufgrund der Lichtverhältnisse nicht möglich gewesen sei, Kleidung zu erkennen. Dann sagte er allerdings auf den nächsten Vorhalt, dass er eine rote Weste mit Luftpolstern gesehen habe. Dies sprach erneut für die Unglaubwürdigkeit des Zeugen, weil dieser nun vorgab, sich zwei Jahre später besser als kurz nach der Tat bei seiner Vernehmung an das Geschehen erinnern zu können. Auch seine Schilderungen zu einer herausrennenden Frau mit Pfefferspray und Müllsack waren nicht tragfähig und daher unglaubhaft, da er immer nur die entsprechenden Vorhalte bestätigte oder ausschmückte.

Es folgte ein Antrag der Verteidigung, die Vernehmungsbeamtin Arnold zu laden, um nachzuweisen, dass der Zeuge an dem Tag eine Frau vor dem Bull’s Eye gesehen habe und nicht aus dem Bull’s Eye raus kommen sah. Die Vernehmungsbeamtin habe besonderes Augenmerk auf Identifizierung und Beschreibung von Personen gelegt.

Daraufhin stellte die Verteidigung einen Antrag auf Ortsbegehung des Bull’s Eye bei Dämmerung. Diese werde zeigen, dass eine Unterscheidung der getragenen Oberbekleidung nur nach hell oder dunkel möglich ist und dass die Ausführungen des Zeugen somit nicht der Wahrheit entsprechen können.

Anschließend erging ein Beschluss des Senats bezüglich der Erweiterung der Aussagegenehmigung des Soko LinX-Beamten Johannes Junghanß, in dem der Antrag der Verteidigung hierzu abgelehnt wurde. Zudem verfügte er die Einführung und Verlesung einer Lichtbildmappe und der Bildunterschriften zum Tatkomplex Eisenach II und wies damit erneut einen Widerspruch der Verteidigung zurück, welche zuvor angab, dass es sich bei den Bildunterschriften um Interpretationen handelt und das abgelichtete Auto nicht rechtmäßig beschlagnahmt wurde.

Es folgte eine Zwischenerklärung der Verteidigung nach § 257 StPO bezüglich einer Lichtbildtafel vom 15.12.19 zum Tatkomplex Eisenach II. Die Lichtbildtafel dokumentierte den Zustand nach der Fluchtfahrt am Abend, wobei von Bedeutung ist, dass weder Hammer noch Teleskopschlagstöcke oder Radschlüssel zu erkennen waren. Diesen Gegenständen wird in der Anklageschrift jedoch eine erhöhte Bedeutung zugeschrieben, da mittels dieser erhebliche Beschädigungen am Fahrzeug der Faschisten verursacht worden sein sollen. Außerdem widersprachen sich die Zeugen Maximilian Andreas und Nils Ackermann zum Einsatz dieser Gegenstände. Ackermann relativierte außerdem den Zeugen Andreas, der sich bzgl. des Zimmermannshammers sicher war. Auch wurden solche Gegenstände weder bei der Personendurchsuchung noch bei den Hausdurchsuchungen am 10.6.2020 gefunden.

Daran schloss sich eine Erklärung der Verteidigung bezüglich des Beweiswerts von beschlagnahmten Blättern einer Briefsendung an Lina an. Dabei wurden solche Blätter beschlagnahmt, die als Anlage eines anonymen Schreibens an Lina beigefügt gewesen sein sollen. Diese sollen einen Hinweis auf die Einbindung der Angeklagten in eine Bewegung geben. Welchen Beweiswert der Senat diesem Schreiben im Sinne einer Einbindung in eine Bewegung und welchen Beweiswert der Senat angeblichen Forderungen dieser Bewegung an die Angeklagte gibt, bleibt ungewiss. In dem Text wird sich über die Informationsweitergabe seitens der Angeklagten beschwert und gesagt, dass bisher nur Informationen aus der Presse zu lesen gewesen seien. Dies wird als eingebunden-sein der Angeklagten in die Szene gedeutet. Es ist nicht ersichtlich, welche Anhaltspunkte der Senat für die möglichen Auswirkungen auf die Angeklagten anhand dieser anonymen Schrift sieht.

Im Anschluss stellte die Verteidigung einen weiteren Antrag zum Tatkomplex Wurzen, um einen Zeugen zu der Fahrt in der Regionalbahn nach dem Trauermarsch in Dresden am 15.02.2020 zu hören, Kameraaufnahmen in Augenschein zu nehmen sowie die Zugbegleiterin als Zeugin zu laden.

Der Zeuge wird folgendes bekunden: Er ist 15.02.2020 in Dresden gewesen, dann im RE 50 Richtung Leipzig um 18:16 Uhr in Dresden am Hauptbahnhof gewesen. Er war vorne im Zug mit einem Platz am Fenster, wobei er aufmerksam an den Haltepunkten beobachtet hat, ob Leute ein- oder ausgestiegen sind. Dazu wird er aussagen, dass ihm bspw. am Bahnhof Neustadt aufgefallen sei, dass viele Linke eingestiegen seien. Seine besonders aufmerksame Beobachtung des Geschehens läge daran, dass er selbst einmal abgefangen und verletzt wurde nach Abreise von einer Demo im Jahr 2015. Zum Bahnhof in Wurzen wird er angeben, dass sich dort keine Linken, sondern nur Leute, die auf den Zug gewartet haben, aufhielten. Von seinem Sitzplatz aus konnte er auch den Durchgang der Unterführung von Bahnhof und Busbahnhof sehen. Dort waren keine Personen, dies hätte er wahrgenommen. Er habe das auch der Polizei geschrieben, nachdem er von dem Angriff gehört habe. Seine Vernehmung wird belegen, dass von der Spitze des Zuges, bis zum Zeitpunkt der Abfahrt, die Angreifenden nicht zu sehen waren und eine Sichtverbindung zu den hinter dem Bahnhofsgebäude befindlichen Angreifenden nicht möglich war.

Weiterhin beantragte die Verteidigung, die Aufnahmen der Videokamera des Bereichs zu zeigen, in denen die Geschädigten des Tatkomplex Wurzen zu sehen sind. Schwelnus hat angegeben, dass der Zeuge Heller die Person kenne, die sich nach seinem Aufstehen auf den Sitzplatz setzte (Person hatte kurze blonde Haare). Zu sehen ist dann, wie die Personen den Zug verlassen und der Zug startet, in der Folge schauen alle drei im Zug verbliebenen Personen in Richtung Bahnhofsgebäude und wenden den Blick erst ab, nachdem der Zug den Bahnhof Wurzen verlassen hat. Auf den Gesichtern ist dabei keinerlei Reaktion zu sehen, die auf Überraschung oder Empörung hindeuten. Wenn die Angreifenden sich aber bereits auf dem Bahnhof befunden hätten, wäre eine solche Reaktion zu erwarten gewesen. Entsprechend wäre es aber auch der beschuldigten Person, die sich angeblich im Zug befunden hat, nicht möglich gewesen, etwas auf dem Bahnhofsgelände zu sehen. Es ist somit nicht ersichtlich, worin irgendeine Tatbeteiligung des Beschuldigten bestehen soll. Es ist bereits erörtert worden, dass das LKA die „freudige Reaktion“ zunächst falsch zugeordnet hat: Es handelte sich dabei statt um den Bahnhof Wurzen tatsächlich um den Bahnhof in Kühren. Folglich wird beantragt, aus den Kameraaufnahmen Videodateien in Augenschein zu nehmen, die belegen werden, dass zu keinem Zeitpunkt ein Kontakt oder ein Sichtkontakt des Beschuldigten zu den Geschädigten bestand. Mit Ausnahmen einer Sequenz befindet sich die Person nicht im selben Zugteil wie die später Geschädigten.

Es wurde beantragt, die Zugbegleiterin, die in Regionalzügen in Sachsen langjährig tätig ist, zu hören. Diese wird bezeugen, dass sie den Zug RE 50 gut kenne und dass es aufgrund des Aufbaus unter keinen Umständen möglich ist, von der Position des Beschuldigten die Geschädigten zu sehen.
Dies wird ergeben, dass die Tatbeteiligung in Form des „erkennen Könnens“ der Geschädigten und das Überwachen der Personen nicht stattgefunden hat. Im Gegenteil wird sich ergeben, dass keinerlei Sichtkontakt zwischen dem Beschuldigten und den Personen bestand. Dies schließe eine psychische Beihilfe in Form der Stärkung des Tatentschlusses aus. Eine Kommunikation mit den späteren Angreifenden kann allenfalls mittels Telepathie, nicht aber realistischerweise geleistet worden sein.

Zeugenaussage des Kriminalhauptkommissars Reimer

Der erste Zeuge des Tages wurde vom vorsitzenden Richter am OLG, Schlüter-Staats, ordnungsgemäß belehrt und der Vorsitzende begann anschließend mit seiner Befragung. In einem Sonderverfahren des BKA konnten bei einer Audiodatei drei Stimmen identifiziert werden, unter anderem die eines ehemals im hiesigen Verfahren Beschuldigten. Das BKA stellte dem Kriminalhauptkommissar das Tondokument für einen laufenden Fall zu Verfügung. Auf dem Tondokument seien laut dem Zeugen drei Stimmen in einem Auto zu hören, die über Observationsmaßnahmen und einen Überfall sprachen und somit Aktenkenntnis und Täterwissen hätten. Als der vorsitzende Richter den Zeugen nach dem erstmaligen Motiv für die Anhörung des Tondokuments befragte, erwiderte dieser, es ginge ihm zunächst um den Inhalt des Tondokuments. Erst später entwickelte sich daraus die Frage, ob die Stimmenzuordnung des BKA richtig sei, da der Kriminalhauptkommissar der Überzeugung sei, die Stimme sei nicht dem ehemaligen Beschuldigten zuzuordnen, sondern vielmehr einem der Angeklagten. Der KHK Reimer stieß bei einer Wohnungsdurchsuchung auf ein Handy mit Sprachnachrichten des ehemals Beschuldigten, wodurch er dem eben genannten eine eher tiefere und entspanntere Stimme hätte zuordnen können. Auch hätte der Zeuge während einer Durchsuchung mit dem Angeklagten telefoniert und könne so die Stimme des Angeklagten erkennen und ihm die Stimme in der Tondatei zuordnen und ausschließen, dass die Stimme dem ehemals Beschuldigten gehöre. Der vorsitzende Richter fragte anschließend, ob die Zuordnung der Stimmen durch das BKA vor dem erstmaligen Anhören dem Zeugen bekannt war, woraufhin dieser erwiderte, dass er sich unsicher sei, er aber davon ausgehe, dass das BKA ihre Ergebnisse bereits mitgeteilt hatten. Des Weiteren habe der Zeuge das Tondokument vor der Durchsuchung bei dem Angeklagten angehört, er sei sich jedoch unsicher, ob das Tondokument bereits vor der Durchsuchung bei dem ehemals Beschuldigten vorlag. Auf die Frage, ob das Tondokument während der Durchsuchungen eine Rolle spielte, verneinte der Zeuge dies.

Anschließend fragte die Bundesanwaltschaft, ob die Durchsuchung bei dem ehemals Beschuldigten in dem vorliegenden Verfahren stattfand oder in einem anderen, woraufhin der Zeuge erwiderte, es hätte sich um ein Verfahren im Zusammenhang mit einer anderen Person gehandelt. Auch hätte er nicht nur während der Durchsuchung mit dem Angeklagten am Telefon gesprochen, sondern auch später in der Wohnung.

Die Verteidigung befragte den Zeugen nun, ob er eine bestimmte Qualifikation für den Prozess der Stimmenidentifizierung habe, woraufhin dieser lediglich sagte, dass es diese Qualifikation nicht gäbe. Anschließend wurde der Zeuge zum Inhalt der Tondatei befragt und wie er zu dem Schluss käme, dass die drei Stimmen Aktenkenntnis und Täterwissen hätten. Der Zeuge antwortete, dass die Stimme eines der Beschuldigten über Observationssachen, Verfahrensdetails und einen Überfall gesprochen hätte, wobei er stets „Wir“ gesagt hätte. Aus dem „Wir“ ließe sich laut dem Zeugen schließen, dass die Stimme eindeutig Täterwissen haben müsse. Daraufhin erwiderte die Verteidigung, dass man nicht automatisch aus einem Satz, der in einem „Wir“ formuliert ist, schließen könne, dass die Person selbst beteiligt gewesen sei. Der Zeuge antwortete, dass dies eine Interpretationsfrage sei. Daraufhin wurde der Zeuge entlassen.

Die Verteidigung legte geschlossen einen Widerspruch gegen die Verwertung der Aussage des Zeugen zur Identifikation von Sprechern im Gespräch aus der Innenraumüberwachung ein. Die Begründung würde folgen.

Zeugenaussage zum Tatkomplex Eisenach II – Der Nachbar von Leon Ringl

Als nächstes trat der zweite Zeuge des Tages auf, wurde vom Vorsitzenden ordnungsgemäß belehrt und sodann zu den Ereignissen am 14.12.2019 in Eisenach befragt. Der Zeuge schilderte, dass er früh morgens Schreie und Schläge hörte, sich dann an sein Fenster begab und von dort fünf schwarz gekleidete Personen sehen konnte, die zu zwei Autos rannten. Eine von den Personen soll eine weibliche Stimme gehabt haben. Auf Nachfrage des Vorsitzenden sollte der Zeuge genau beschreiben, wo er wohnte, dies auf einer Karte der Örtlichkeiten bestätigen und auch einzeichnen, wo die beiden Autos gestanden haben sollen. Weiterhin beschrieb der Zeuge auf Nachfrage die beiden Autos. Als nächstes sollte die Frage der Lichtverhältnisse in der Nacht geklärt werden. Der Zeuge sagte, dass die Straße gut beleuchtet gewesen sein und er alles gut erkennen konnte. Er sagte auf Nachfrage zudem, dass die PKWs wie sie standen weggefahren seien, zuerst der schwarze und dann der silberne.

Darauf folgend befragte der Vorsitzende den Zeugen erst einmal zu der dunkel gekleideten Gruppe. Der Zeuge erzählte noch einmal, dass er an dem genannten Tag von Schreien wach wurde, mehrere Stimmen draußen hörte und darunter klar eine Frauenstimme erkannte. Diese soll auch etwas in Richtung „kommt Jungs, wir hauen ab“ gerufen haben. Daraufhin berichtete der Zeuge, dass er die Gruppe zu den Autos laufen gesehen habe und auch am Gang festgestellt habe, dass es sich bei der einen Person um eine Frau handeln müsse. Im Folgenden seien die Personen in die Autos gestiegen. Die Zeuge vermutete auf Nachfrage nochmal, dass es fünf Personen gewesen seien. Diese seien auch vermummt gewesen und hatten ihre Köpfe bedeckt, sodass er keine Gesichter erkennen konnte. Er erklärte auf Nachfrage des Vorsitzenden auch noch einmal, dass er bei dem Blick aus dem Fenster zuerst nur Rufe hörte, aber noch keine Personen sah. Auf die Frage, wo die Person eingestiegen sei, die der Zeuge für eine weibliche Person hielt, antwortete er, dass er glaube, sie sei in das silberne Auto eingestiegen. Darauffolgend erzählte er, dass er einen silbernen Gegenstand in der Hand einer der Personen gesehen habe und auch dass etwas in den Kofferraum geworfen worden sei. Im Anschluss sei der Zeuge runter auf die Straße gegangen und dort auf Polizeibeamte und andere Anwohner:innen getroffen. Er kannte Leon Ringl zu dem Zeitpunkt noch nicht, vermutete nun allerdings, dass dieser ebenfalls auf der Straße anwesend war. Ein Herr Wieschke soll den Zeugen im Anschluss an den Tag im Internet angeschrieben und ihm gesagt haben, dass er bei der Polizei aussagen soll.

Auf Nachfrage erklärte der Zeuge, dass er keine von den geschädigten Personen kannte, meinte allerdings auf weitere Nachfrage, dass er lange nach der Polizeivernehmung mit Leon Ringl geredet und ihm erzählt habe, was er an dem Abend gesehen habe. Es kam eine weitere Nachfrage des Vorsitzenden zur genauen Uhrzeit des Ereignisses. Der Zeuge konnte nicht mit Gewissheit sagen, um welche Uhrzeit es sich handelte und nannte eine Zeitspanne von 02:30 bis 02:45. Im Anschluss fragte ein anderer Richter, ob der Zeuge Fotos gemacht habe, was er bejahte. Er habe ein Foto von dem wegfahrenden silbernen Auto gemacht. Dieses Foto wurde sodann in Augenschein genommen und festgestellt, dass bis auf die Autolichter kaum etwas zu erkennen ist.

Weiterhin berichtete der Zeuge auf Nachfrage des Richters, dass er im Polizeifunk gehört habe, dass ein Auto gestoppt worden sein soll. Der Richter sprach ihn darauf an, dass der Zeuge in der Polizeivernehmung gesagt haben soll, dass er gehört habe, wie Leon Ringl am Telefon einer anderen Person erzählte, dass ein Auto gestoppt worden sein soll. Der Zeuge war sich nicht mehr sicher, wo genau er diese Information gehört habe. Danach wurde er noch gefragt, ob er mit anderen Personen auf der Straße geredet habe. Der Zeuge berichtete daraufhin, dass er kurz mit Ringl geredet habe, sich aber nicht mehr an den Gesprächsinhalt erinnere. Auch mit den Polizeibeamten habe er geredet. Sie hätten eine Personalienaufnahme des Zeugen angekündigt, diese jedoch nicht verwirklicht.

Als nächstes bat die Bundesanwaltschaft den Zeugen auf der Karte einzuzeichnen und zu beschreiben, aus welcher Richtung die Gruppe gerannt kam.

Daraufhin begann die Verteidigung mit ihrer Befragung. Es wurde nach einer in der Polizeivernehmung genannten Anwohnerin gefragt. Der Zeuge erklärte, dass in der genannten Nacht ein anderer Nachbar zu ihm gemeint habe, dass eine weitere Anwohnerin die Ereignisse noch besser hätte sehen müssen. Es kamen weitere Nachfragen der Verteidigung zu den Distanzen und den Lichtverhältnissen. Der Zeuge meinte, dass die Entfernung von seinem Haus zu den Autos circa 50 bis 100 Meter betragen habe. Auf die Nachfrage, wo sich die Straßenlaternen befanden und ob diese angeschaltet gewesen seien, sagte er, dass er nicht genau wisse, wo die Laternen seien, sich allerdings sicher war, dass sie angeschaltet gewesen seien. Der Zeuge erzählte auf Nachfrage der Verteidigung außerdem, dass an der Stelle, wo die Autos standen, normalerweise keine Autos geparkt seien. Es kam eine weitere Nachfrage zur Identifizierung der einen Person als Frau durch ihre Bewegung. Der Zeuge meinte, dass Frauen anders als Männer rennen würden und dass sie sich „zierlicher“ bewegen würden. Auf die Nachfrage, wie groß der Zeitraum vom Eintritt in den Blickbereich des Zeugen bis zum Erreichen der Autos gewesen sei, vermutete der Zeuge, dass es ein paar Sekunden gewesen seien.

In den weiteren Fragen widmete sich die Verteidigung dem Weg zur Polizeivernehmung und dem Austausch mit Herrn Wieschke. Der Zeuge berichtete, dass er von Herrn Wieschke auf Facebook angeschrieben worden sei und so der Kontakt zur Polizei vermittelt worden sein. Danach kam eine Frage zu einer Theorie, die der Zeuge aufgestellt hatte, die besagte, dass Glasscherben auf der Straße dadurch kamen, dass auf ein Auto eingeschlagen worden sei. Der Zeuge meinte, dass er auf Facebook einen Post der Thüringer Allgemeinen Zeitung und die Kommentare unter dem Post gelesen habe. Zudem habe er auf der Facebook-Seite des Herrn Wieschke ein Foto einer Person mit einer Platzwunde gesehen. Daraufhin fragte die Verteidigung nach Herrn Wieschke und der Zeuge sagte, dass es sich bei ihm um einen Menschen aus der rechtsextremen und NPD-Szene handele.

Weiterhin wurde nach einem Kontakt des Zeugen zu Leon Ringl gefragt. Der Zeuge erzählte, dass es später zu Austausch mit Ringl kam und sie auch die Nummern ausgetauscht, allerdings nicht telefoniert, sondern nur WhatsApp-Kontakt gehabt hätten. Der Zeuge berichtete dann, dass Ringl nun im gleichen Haus wie er ein Stockwerk weiter unten wohne und er sich mit ihm über den Gerichtstermin ausgetauscht habe, allerdings nicht über das Tatgeschehen. Die Verteidigung fragte sodann nach dem Chatverlauf zwischen den beiden und der Zeuge war auch willig ihn vorzuzeigen und holte sein Telefon. Der Vorsitzende blickte den Chatverlauf allein ein, um die Privatsphäre des Zeugen zu gewähren und es handelte sich anscheinend nur um irrelevante Nachrichten. Es kam eine weitere Nachfrage zum letzten Kontakt mit Ringl, woraufhin der Zeuge berichtete, dass er das letzte Mal Kontakt mit ihm bei der ersten Gerichtsvorladung hatte. Sie sollen über den Termin gesprochen und festgestellt haben, dass sie unterschiedliche Vorladungstermine haben. Auf Nachfrage wusste der Zeuge auch nicht, ob Ringl bereits in der Hauptverhandlung gewesen sei.

Im Anschluss kamen einige weitere Fragen des Vorsitzenden. Es ging noch einmal um die genaue Anzahl der Personen in der Gruppe. Der Zeuge sagte, dass er denke, dass es fünf oder sechs Personen gewesen seien. Weiterhin wurde gefragt, ob in den Autos vor dem Einsteigen der Gruppe schon Personen saßen. Der Zeuge nahm an, dass die Autos vorher leer waren, war sich jedoch nicht ganz sicher. Zuletzt kam noch die Frage, wo die Person einstieg, die der Zeuge für eine Frau hielt. Aber auch nach Vorhalten des Protokolls der Polizeivernehmung, worin der Zeuge gesagt habe, dass die Person in das silberne Auto stieg, wusste der Zeuge es nicht mehr. Damit wurde der Zeuge entlassen.

Letzte Anträge der Verteidigung

Im Anschluss stellte die Verteidigung einen Antrag, den Strafbefehl gegen den Zeugen Zahner wegen einer Sachbeschädigung an dem Wurzener Kulturprojekt D5 beizuziehen. Der Zeuge Zahner ist Geschädigter in Wurzen und vermutete selber, dass es sich bei den Täter:innen um Nahestehende des D5 handele, als Rache dafür, dass er „die Seiten gewechselt habe“. Zahner sei lange Mitglied der Wurzener Punkerszene gewesen, aber dann ausgestiegen. Außerdem sollen die Angreifer:innen „Lulu, das ist deine Rache“ gerufen haben. Bei dem Namen Lulu soll es sich um einen Spitznamen handeln, den Zahner in der Punkerszene gehabt haben soll. Eine Verlesung der Urkunden werde ergeben, dass entgegen der Aussagen des Zeugen in der Hauptverhandlung der Zeuge für den Angriff auf das D5 verurteilt worden sei und wegen einer weiteren Sachbeschädigung gegen ihn ermittelt worden sei. Dies spreche zudem für einen Angriff aus der Wurzener Szene, da die extrem rechte Gesinnung des Zeugen Zahner nicht über die Stadt hinaus bekannt war und keine persönliche Verbindung zu den Angeklagten bestehe.

Anschließend stellte die Verteidigung einen weiteren Antrag. Darin ging es um Funkzellendaten und einen Vermerk dazu von KHK Baum der Soko LinX. Dieser sollte als Zeuge geladen werden und Bilder von Handymodellen in Augenschein genommen werden. Auf Videoaufnahmen am Bahnhof Wurzen soll ein Mobiltelefon zu sehen gewesen sein und dieses solle nun verglichen werden mit einem bei der Wohnungsdurchsuchung gefundenen Telefon. Es werde sich ergeben, dass die Telefone nicht übereinstimmen.

Danach wurde die Sitzung durch den Vorsitzenden geschlossen.

Der nächste Verhandlungstag ist der 31.03.22 um 09:30 am OLG Dresden.