Bericht vom 45. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden am 14.04.22.
Am 45. Prozesstag, den 14.04.2022, ging es um die Zeug:innenvernehmung von zwei Zeug:innen zum Tatkomplex Eisenach II. Außerdem wurde die Befragung des MEK-Kommandoführers Mario Würzbach zu Ende geführt. Der Prozesstag begann erst um 10:30 Uhr, da die erste eigentlich geladene Zeugin sich derzeit im Urlaub befand.
Der Tag begann, wie der 44. Prozesstag endete, mit filmenden Polizist:Innen, welche vermeintlich heimlich die solidarischen Menschen vor dem Gericht aus einem Polizeiwagen heraus filmten. Am Tag zuvor filmten sie die Menschen vor Ort, als Linas Gefangenentransporter abfuhr, ebenfalls grundlos.
Bei dem ersten Zeugen, einem Nachbar Ringls, handelte es sich um einen Angestellten der Firma Opel, der den Angriff auf den PKW von Leon Ringl und drei seiner Kameraden im Dezember 2019 in Eisenach beobachtet haben will. Er habe damals gegen 03:15 Uhr aus dem Schlafzimmerfenster seiner Wohnung geschaut, nachdem er von draußen Lärm gehört habe. Zwar sei in seiner Straße öfter Lärm zu hören, diesmal sei aber die Geräuschkulisse eine andere gewesen. Sein Fenster sei dabei geschlossen gewesen, er habe durch die gekippten Lamellen der Jalousie geschaut. Er habe direkt gegenüber von seinem Fenster einen PKW am Bürgersteig parken sehen und beobachten können, wie dieser von einer Gruppe von 7 Personen angegriffen wurde. Dabei hätten 3 Personen vor dem PKW gestanden und 4 dahinter. Bei der Personenanzahl und Verteilung war sich der Zeuge sehr sicher.
Er sagte aus, dass eine Person auf die Fahrertür -und eine Person mit einem ca 1,30m bis 1,50m langen Gegenstand hinten auf das Dach des Fahrzeugs eingeschlagen haben. Dann hätte ein Insasse die Tür des Fahrzeugs von innen geöffnet und die Personen, die davor auf das Dach eingeschlagen hatte, hätte mit dem Gegenstand zweimal „hinein gestochert“. Dann seien die sieben Personen wie auf ein Kommando weggerannt. Circa 10 Sekunden später sei dann auch das Auto weggefahren. Daraufhin sei er in ein Nebenzimmer gegangen und habe angefangen eine Zigarette zu rauchen, nach wenigen Zügen hätte er aber schon wieder Geräusche von draußen gehört und gesehen, dass die Polizei angerückt sei. Der Zeuge sagte aus, dass der ganze Angriff circa 15 bis 20 Sekunden gedauert habe. Der Zeuge zeichnete auf einem Google Maps Ausdruck ein, wo seiner Meinung nach der PKW gestanden habe. Auf Nachfrage des Vorsitzenden sagte er, der Angriff sei schon in Gange gewesen, als er aus dem Fenster gesehen habe. Er erinnere sich außerdem nur an den einen Gegenstand, mit dem auf das Dach des PKW eingeschlagen worden sei, ansonsten habe er keine weiteren Gegenstände gesehen. Auch an der Fahrer:innentür sei wohl zweimal in das Auto hineingeschlagen worden, der Zeuge meinte sich zu erinnern, dass dabei kein Gegenstand benutzt wurde, sondern nur mit Fäusten hineingeschlagen worden sein. Allerdings sei es draußen auch dunkel gewesen, weshalb seine Sichtverhältnisse eingeschränkt gewesen seien. Die Person, die auf das Dach des Fahrzeugs eingeschlagen haben soll, hätte hinten auf der Fahrerseite des Fahrzeugs gestanden, wobei die Fahrerseite des Fahrezeugs ihm zugewandt gewesen sei.
Der Zeuge habe keinen Einsatz von Reizmitteln oder Ähnlichem beobachten können. Er habe außerdem nicht erkennen können, wohin genau die 7 Personen gerannt seien, wohl aber in Richtung Rennbahnstraße. Er habe auch kein Kommando sehen oder hören können, da die Personen aber alle plötzlich gleichzeitig losgerannt seien, habe es auf ihn „wie auf Kommando“ gewirkt. Das Auto sei dann in die andere Richtung weggefahren, nachdem die Personen weggerannt waren. Während dem Angriff sei der Motor des Fahrzeugs angewesen, weshalb sich der Zeuge gewundert habe, wieso das Fahrzeug nicht einfach losgefahren sei. An die Kleidung der Personen könne er sich nichtmehr erinnern. Der Insasse, der die Tür geöffnet haben soll, habe wohl eine Camouflage-Hose getragen. Der Vorsitzende hielt ihm daraufhin vor, dass er diese Hose bei seiner ersten Vernehmung der Person zugeordnet habe, die auf das Dach eingeschlagen habe. Zum Geschlecht der Personen könne der Zeuge nichts sagen. Die Bundesanwaltschaft fragte nocheinmal genauer nach dem „Stochern“ in das Auto, woraufhin der Zeuge sagte, es sei eine Bewegung wie mit einer Schaufel gewesen und er habe nicht sehen können, ob die Personen im Auto getroffen worden seien. Bei seiner Vernehmung habe er wohl ausgesagt, dass die Bewegung eher wie mit einem Speer gewesen sei. Der Zeuge wurde um 11:12 Uhr entlassen.
Der Vorsitzende verlas, dass der Antrag auf eine erweiterte Aussagegenehmigung des MEK- Kommandoführers Würzbach abgelehnt werde. Daraufhin folgte die für 90 Minuten angesetzte Mittagspause.
Die Einlasskontrollen nach der Mittagspause wurden wieder unnötig lang gezogen, sodass nicht alle Zuschauer:innen rechtzeitig zur Fortführung wieder im Saal sein konnten, obwohl sich diese um fast eine halbe Stunde verschob.
Nach der Mittagspause war dann auch der Nebenklageanwalt Manuel Tripp/Kruppe für circa eine halbe Stunde anwesend.
Die zweite Zeugin, eine Nachbarin Ringls, habe ebenfalls den Angriff auf den PKW in Eisenach beobachtet. Der Vorsitzende betonte zu Beginn ihrer Befragung mehrmals, dass sie aus dem Kosovo komme und keine deutsche Staatbürgerschaft habe, was absolut nichts mit ihrer Funktion als Zeugin zu tun hatte und auch zuvor bei keinen anderen Zeug:innen thematisiert wurde. Die Zeugin berichtete, dass sie mit offenem Fenster geschlafen habe und Lärm von draußen sie aufgeweckt hätte. Sie habe gedacht, dass es sich um Personen handele, die in ihrer Straße Autos demolieren oder Spiegel abtreten, da sie zuvor in der Zeitung gelesen habe, dass das in letzter Zeit zuvor öfter vorgekommen sei. Sie sei hinaus gegangen, um nachzusehen. Draußen habe sie dann nur noch Geschrei gehört, nicht mehr den Lärm von zuvor. In ihrer Straße habe sie aber keine Personen oder demolierte Autos sehen können, weshalb sie dem Geschrei zur Kreuzung gefolgt sei, wo sie dann gesehen habe, wie mehrere Personen in einen oder mehrere PKWs gestiegen und weggefahren seien. Genau habe sie eigentlich nichts erkannt, da sie, vor allem direkt nach dem Aufwachen, Augenprobleme habe. Sie meinte sich zu erinnern, dass es sich um 2 PKWs gehandelt habe. Die Zeugin zeichnete in einen Google Maps Ausdruck ein, wo sich, ihrer Erinnerung nach, die PKWs und sie selbst befunden hätten. Sie könne sich nicht mehr erinnern ob die Personen schon direkt am Auto gestanden hatten oder ob sie erst angelaufen gekommen seien. Laut polizeilichem Protokoll habe sie bei ihrem Verhör damals ausgesagt, dass die Personen erst angelaufen kamen, daran könne sie sich heute nichtmehr erinnern. Auch wieviele Autos und Personen es genau waren, könne sie heute nicht mehr sagen. Ebenso könne sie keine genaueren Angaben zu Kleidung, Geschlecht und Stimmen der Personen machen, manche oder alle Personen Skimasken hätten aber wohl getragen. Die Personen hätten herumgeschrien, genauere Aussagen zu den Stimmen oder dem Inhalt des Geschreis könne sie aber nicht machen. Im polizeilichen Verhör habe sie ausgesagt, dass es sich um jugendliche Stimmen, und, zu ihrer Verwunderung, um mindestens eine weibliche Stimme gehandelt habe. Die weibliche Stimme habe sinngemäß „komm steig bei uns mit ein“ zu einer anderen Person gerufen. An all dies könne sich die Zeugin heute nicht mehr erinnern. Ebenso könne sie sich an die Angaben, die sie damals zu den Farben der PKWs, ihrem Standpunkt und in welcher Reihenfolge diese losgefahren sein sollen, nicht mehr erinnern. Dass die Fahrzeuge beim Losfahren aber nicht gewendet hätten, wisse sie noch. Der Vorsitzende stellte an dieser Stelle einige sehr suggestiv wirkende Fragen zu Anzahl, Farben und Reihenfolge des Losfahrens der Fahrzeuge. Nachdem die Zeugin wiederholt aussagte, es nicht mehr zu wissen, sagte sie schließlich, dass es 2 Autos gewesen seien, ein helles und ein dunkles, und dass das helle, das auch weiter vorne gestanden habe, zuerst losgefahren sei. Die Verteidigung fragte noch nach einer anderen Zeugin, die sie in ihrer polizeilichen Vernehmung erwähnt hatte. Damals hatte sie ausgesagt, am Fenster eines Wohnhauses sei eine alte Frau gestanden, mit der sie auch kurz gesprochen habe. Nach diesem Vorhalt konnte sich die Zeugin auch wieder an die Frau erinnern, mit ihr gesprochen habe sie aber nicht. Die Verhandlung wurde für ein paar Minuten unterbrochen, da der Vorsitzende Lichtbilder holte, anhand derer die Zeugin dann die genaue Position der Fahrzeuge noch einmal beschreiben sollte. Bei ihrer Aussage bei der Polizei damals habe sie ausgesagt, dass eines der Autos direkt vor dem Haus stand, aus dem die alte Dame schaute. Jetzt war sie der Meinung, die Autos hätten ein ganzes Stück weiter die Straße hinunter gestanden. Die Zeugin wurde um 13:50 Uhr entlassen.
Vor der abschließenden Vernahme des MEK-Kommandoführers Würzbach verlas der Vorsitzende noch einen Vermerk zu der MEK-Einheit Dresden, welche mittlerweile aufgelöst wurde. So habe er wohl mit der Staatsanwaltschaft gesprochen, welche inzwischen Anklage wegen des Verdachts auf Munitionsdiebstahl erhoben habe. Die Staatsanwaltschaft habe betont, dass die Einheit keinerlei rechtsextreme Bezüge bzw. Verbindungen zu Nordkreuz habe, trotz eines „persönlichen Duz-Verhältnisses“ zur Firma Baltic Shooters. Ausgetauscht wurde sich angeblich nur über Schießsachen. Nach einer kurzen Pause betrat MEK-Kommandoführer Würzbach mit seinem Beistand RA Hirschmann den Zeugenstand. Der Vorsitzende wiederholte nochmal, dass es keine erweiterte Aussagegenehmigung gebe und dass es gerichtsbekannt sei, dass das MEK aufgelöst wäre. Die eingeschränkte Aussagegenehmigung beinhalte, keine persönlichen Details über die Personen der Einheit zu teilen.
Die Verteidigung fragte, ob und wieviele der 17 Einheiten, die jetzt in den Munitionsskandal verwickelt sind, bei den Überwachungsmaßnahmen beteiligt waren. Der Zeugenbeistand verwies bei dieser allgemeinen Frage auf die Aussagegenehmigung, was auch nochmal von der Generalstaatsanwaltschaft bekräftigt wurde. Die Verteidigung wies darauf hin, dass der Zeuge seine Argumentation ausgetauscht hatte. So umging er die Frage bei seiner letzten Vernehmung mit Paragraph 55 StPO, also seinem Auskunftsverweigerungsrecht, sollte er sich mit Beantwortung dieser Frage selbst belasten. Die Verteidigung beharrte noch einmal mit Nachdruck auf der Beantwortung der Frage, da die Straftat des Munitionsdiebstahls ein durchaus schwerwiegendes Vergehen sei, und sich durchaus Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit der Beamt:Innen ziehen lassen. Zudem beschrieb die Verteidigung das Ermittlungsvorgehen und die Einheit wie eine Blackbox, von der man nur den Namen des Kommandoführers weiß, welcher an jenem Tag nicht einmal da war, sondern im Urlaub, und sonst nicht einmal weiß, wer den Bericht verfasst hatte. Der Vorsitzende erklärte die vorliegende Frage zu einer Grenzfrage und bot an, darüber eine Stunde zu beraten. Wie bei fast ausnahmslos allen Gerichtsbeschlüssen und Grenzfragen schlug sich der Vorsitzende auf die Seite der Staatsanwaltschaft und der Polizei und bekräftigte die Aussagegenehmigung. Die Verteidigung forderte einen Gerichtsbeschluss, und beantragte dafür ein symbolisches Ordnungsgeld von 5€ aufgrund der Aussagepflicht. Dieser Gerichtsbeschluss blieb wie üblich der Linie des Vorsitzenden treu und der Antrag wurde nach 30 Minuten Beratungszeit abgelehnt.
Die Verteidigung fragte nochmal, ob das MEK-Dresden bei den Hausdurchsuchungen beteiligt war, was Hirschmann für den Zeugen verneinte, woraufhin der Zeuge auch schon entlassen wurde.
Somit endete der 45. Prozesstag um 15:27, weiter geht es nach der Osterpause am 27.04.22 um 09:30 am OLG Dresden.