Solidarische Grüße des Solidaritätsbündnis Antifa Ost an alle Gefangenen
Unsere Freundin und Genossin Lina sitzt seit November 2020, also seit fast anderthalb Jahren in Untersuchungshaft in der JVA Chemnitz.
Sie ist eine von mindestens zehn Beschuldigten im Antifa Ost-Verfahren. Ihnen wird vorgeworfen, Faschisten in Ostdeutschland angegriffen zu haben. Aus diesen Angriffen wurde eine kriminelle Vereinigung nach § 129 konstruiert.
Das Konstrukt basiert auf diversen Indizien und vor allem Interpretationen der Bundesanwaltschaft. Die Ermittlungen wurden vornehmlich von der Soko LinX in Sachsen geführt, die seit 2019, also seit ihrer Einführung als Wahlkampfinstrument durch die CDU, keine Erfolge liefern konnte.
Nachdem im Dezember 2019 einige jetzt Beschuldigte im thüringischen Eisenach verhaftet wurden, witterte die Soko LinX ihre Chance, übernahm die Ermittlungen und versucht seither den Personen weitere Taten in Sachsen zuzuordnen. Dabei spinnt sie ein Netz wirrer Anschuldigungen und erweitert den Kreis der Beschuldigten mithilfe sehr freier Auslegungen von Indizien.
Die Bundesanwaltschaft hat das Verfahren schließlich übernommen und um die eigene Zuständigkeit zu rechtfertigen, eine Nähe zum Terrorismus herbei halluziniert. So sollen die Beschuldigten die demokratische Meinungsbildung durch die vorgeworfenen Angriffe auf Nazikader in Gefahr gebracht haben.
Seit September 2021 läuft nun der Prozess gegen vier der Beschuldigten am Oberlandesgericht Dresden. Vier weitere Beschuldigte wurden an die Generalstaatsanwaltschaft Gera abgegeben und gegen weitere wird noch ermittelt. Kürzlich fanden in diesem Rahmen erneut Hausdurchsuchungen in Leipzig statt.
Der Prozess wird öffentlichkeitswirksam in einem Hochsicherheitssaal geführt und Lina zweimal wöchentlich in einem bewaffneten Konvoi zum Gericht gefahren.
Übermorgen sitzt Lina 500 Tage in Haft und im Saal wird noch ihr Kontakt zu anderen Angeklagten und Zuschauenden weitgehend unterbunden. Damit nicht genug, sie wird in allen Unterbrechungen in einen Kellerraum gebracht und stets von Vollzugsbeamt:innen begleitet und bewacht.
Die Begründung für ihre Haft und diese Behandlung ist weit hergeholt und ebenso konstruiert, wie die gesamte Vereinigung. Sie wird zur Anführerin und Kommandogeberin stilisiert und so eine Gefährlichkeit konstruiert, die eine Haft rechtfertigen soll. Da fast jeder Angriff auf Nazis, bei dem angeblich eine Frau beteiligt war, ihr zur Last gelegt wird, wird eine sehr hohe Haftstrafe in Aussicht gestellt.
Die sexistische Ermittlungsarbeit jedoch weist darauf hin, dass sie eigentlich nur ihrem Partner gefolgt sei, welcher sie radikalisiert habe. Auf dieses Bild und die Rollenzuschreibung berufen sich Medien bundesweit und reproduzieren eine Darstellung einer Studentin, welche durch einen Mann zur Terroristin wurde. Dabei werden Vergleiche mit der tatsächlichen Terroristin Beate Zschäpe, welche mit der Nazigruppierung NSU rassistische Morde verübte und die in derselben JVA sitzt wie Lina, genutzt, um die Extremismustheorie zu verteidigen und eine derart schlecht erdachte Anklage zu legitimieren.
Die Haftbedingungen sind unter anderem dadurch erschwert, dass Lina und Zschäpe sich nicht begegnen sollen, was eine so schon winzige Bewegungsfreiheit im Knast weiter einschränkt. Durch die Anklage der höchsten juristischen Instanz wird die Post neben der Kontrolle in der JVA an Karlsruhe weitergeleitet, erneut gelesen und mit entsprechender Verzögerung und unvollständig ausgehändigt. Die regelmäßigen Fahrten nach Dresden sind zeit- und kraftaufwändig und erschweren Bindungsversuche zu anderen Gefangenen.
Die gesundheitliche Versorgung im Knast ist grundsätzlich unterirdisch und wird in Lina‘s Fall nicht nur verschleppt, sondern auch durch Vorführungen bei Ärzt:innen in Handschellen und unter bewaffneter Begleitung zu einer Tortur.
All diese Maßnahmen dienen der Darstellung der Gefährlichkeit der Angeklagten, die sich so selbst legitimieren soll.
In dem aktuell stattfindenden Prozess wird der Verurteilungswille durch den vorsitzenden Richter und die Bundesanwaltschaft sehr deutlich. Sie versuchen mit tendenziösen Befragungen und blindem Vertrauen in die ermittelnden Beamt:innen ihr Konstrukt als belegt zu betrachten. Im Nachfolgestaat des Nationalsozialismus wird die Vorfolgung von Antifaschismus zum Staatsakt und an den Angeklagten in Dresden soll das Exempel statuiert werden. Der Staat will die emanzipatorische Bewegung abschrecken und seine Macht unter Beweis stellen!
Sollte dieses Verfahren für den Staat erfolgreich geführt werden, werden nicht nur die weiteren Angeklagten und Beschuldigten mitunter lange Haftstrafen antreten müssen, sondern es würde ein Grundstein gelegt werden, um mithilfe des Paragraphen 129 jede Art des Widerstands in ein solches Konstrukt zu pressen und hart zu bestrafen.
Allein im Jahr 2020 wurden in der BRD vier Verfahren nach § 129 und 129a gegen linke, antiautoritäre, antifaschistische, emanzipatorische Menschen und Gruppen bekannt. Vor allem in Süddeutschland wurden in den letzten zwei Jahren mehrere Haftstrafen gegen Personen verhängt, die sich gegen Nazis oder die Staatsgewalt zur Wehr gesetzt haben und neue Polizeigesetze wurden auf den Weg gebracht, die den Ermittelnden umfassende Freiheiten einräumen und die Privatsphäre und Handlungsfreiheit von Menschen massiv einschränken.
All diese Verschärfungen und Repressionsschläge dienen der Einschüchterung und Spaltung der Bewegung. Der Knast als Instrument der Isolation und Individualisierung von Genoss:innen wird wieder mehr genutzt, um uns abzuschrecken. Doch die Gefangenen sind nicht allein. Wir stehen hinter ihnen stellen unsere Solidarität gegen ihre Versuche der Isolation.
Getroffen hat es Einige – Gemeint sind wir alle!
Gegen eine Gesellschaft der Knäste!