Der folgende Text inklusive Bild wurde am 19.01.2022 von „Dissens – Antifaschistische Gruppe Erfurt“ veröffentlicht. Wir dokumentieren den solidarischen Beitrag an dieser Stelle.
Seit Ende 2020 sitzt die Antifaschistin Lina in Untersuchungshaft und wurde mit weiteren Antifas vor das Oberlandesgericht in Dresden gezerrt. In dem Prozess will die Generalbundesanwaltschaft den Antifas die Bildung einer ‚kriminellen Vereinigung‘ andichten. Wenn der Staat konsequenten Antifaschismus kriminalisiert, halten wir mit Solidarität dagegen!
Während Neonazis vor allem im Osten, wie in Eisenach oder Dresden und Umland, die Corona-Proteste anführen, wird seit September 2020 vor dem OLG Dresden der Wille der staatlichen Verfolgung von Antifaschist:innen deutlich. Das Solidaritätsbündnis Antifa-Ost bietet auf ihrer Website, neben Hintergrundinfos zu den einzelnen Akteur:innen wie der ‚SOKO LinX‘ und den vermeintlich geschädigten Neonazis, auch zu den einzelnen Prozesstagen einen jeweiligen umfassenden Bericht. Außerdem werden für die anfallenden Prozesskosten Spenden gesammelt
Neben der hier organisierten Öffentlichkeitsarbeit gibt es ebenfalls die Arbeit der ‚Solidaritätskoordination Thüringen‘ (Soko Thüringen). Der Zusammenschluss aus Gruppen, Strukturen und Einzelpersonen hat sich gefunden um Menschen in Thüringen und darüber hinaus zu supporten, die aufgrund ihres antifaschistischen Agierens von Repression betroffen sind.
Wir dokumentieren die Solidaritätserklärung der Soko Thüringen aus dem vergangenen Jahr, die sich vor allem mit dem Verfahren gegen die Antifaschist:innen beschäftigt, von denen ein Teil in Dresden angeklagt ist. Außerdem dokumentieren wir ein Bild einer anonymen Zusendung, welches an der Zugstrecke zwischen Erfurt und Weimar entdeckt worden ist.
Solidaritätserklärung der SoKo Thüringen
Am 8. September 2021 findet der erste Prozesstag gegen Lina und drei weitere Angeklagte im 129er Verfahren Berlin/Leipzig/Weimar statt. Weitere sechs Beschuldigte wurden abgespalten und werden wahrscheinlich zu einem anderen Zeitpunkt verhandelt.
Unsere Gefährtin Lina (1) sitzt seit November letzten Jahres in Untersuchungshaft in der JVA Chemnitz. Ihr und den weiteren Beschuldigten wird vorgeworfen, Nazis angegriffen zu haben und sie werden zu einer kriminellen Organisation konstruiert.
Dieses Verfahren nach Paragraph 129 ist nicht das einzige, welches momentan gegen Personen aus der radikalen Linken geführt wird, jedoch das erste seit Jahren, welches ohne den Zusatz der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Organisation vor Gericht verhandelt wird. Der Repressionsdruck auf die emanzipatorischen Bewegungen steigt und an den Gefährt:innen aus Berlin/Leipzig/Weimar soll ein Exempel statuiert werden.
Die Ermittler:innen bilden Konstrukte auf der Basis von Bekanntschaften, Ideen und Spekulationen und schaffen es mit Hilfe der politischen Institution des Generalbundesanwalts unsere Gefährt:innen einzusperren, zu observieren, zu durchleuchten und in der Öffentlichkeit unsere Ideen zu delegitimieren.
Die Kampagne, die gegen die Beschuldigten im hiesigen Verfahren läuft, verdeutlicht einmal mehr, wie notwendig der Kampf gegen dieses System ist. Patriarchale Propaganda von allen Seiten, allen voran die sexistische Berichterstattung in den Medien, gegen eine Frau, der vorgeworfen wird, Gegengewalt gegen Nazis als Mittel zu nutzen, ist widerlich und greift emanzipatorische Kämpfe auf vielerlei Ebenen an. Nazis nutzen die Propaganda des Staates und die Informationen, die ihnen die Bullen zuspielen, um ihrerseits zu Aktionen gegen Antifaschist:innen aufzurufen, sie zu outen und sich als Opfer darzustellen.
Die Stars dieser rechten Szene, wie Sebastian Schmidtke, Jürgen Elsässer, Thorsten Heise und co.,
treten nun als diejenigen auf, welche auf Seiten des Staates Gerechtigkeit einfordern und bemühen sich nach Kräften, die Ermittlungen der Bullen zu unterstützen. (2) Jede Schlägerei mit Nazis, bei der eine Frau dabei gewesen sein könnte, wird Lina als weitere Tat zugeschrieben. Die Bullen und die Staatsanwaltschaft nehmen Aussagen der Nazis dankend entgegen, um ihr Konstrukt weiter auszubauen.
Der Ermittlungsdruck der Soko Linx ist hoch, da sie seit Jahren keinen Erfolg gegen linke Strukturen erzielen konnten. Um die Hufeisentheorie zu stützen und das eigene Gewaltmonopol zu stärken, nimmt der Staat das gebildete Konstrukt zum Anlass, seine Macht zu demonstrieren.
Es besteht keine Notwendigkeit den Fall juristisch zu bewerten, da aus emanzipatorischer Sicht das Konstrukt von Schuld und Unschuld den Massstäben eines sogenannten Rechtsstaats obliegt, welcher dem kapitalistischen System dient.
Politisch jedoch ist das Verfahren als ein Angriff auf antifaschistische Bewegungen zu werten. Der Versuch der Einschüchterung und Spaltung innerhalb der Gruppe der Beschuldigten und der Bewegung ist eines der beliebtesten Werkzeuge der Machthabenden. Ähnlich versuchten es Polizei und Staatsanwaltschaft in einem Fall aus Saalfeld, wo mehrere Antifaschist:innen im Zuge von Gegenprotesten gegen einen Naziaufmarsch 2017 ins Visier gerieten. (3) Der damalige Staatsanwalt Zschächner, welcher mittlerweile seinen Posten aufgrund von öffentlichen Druck räumen musste, leitete hier ein 129-Verfahren ein.
Weitere aktuelle Beispiele der Angriffe auf die antifaschistische Bewegung in Thüringen bilden die Behauptungen von Innenminister Maier und Verfassungsschutzchef Kramer über eine vermeintliche linke Terrororganisation. Des Weiteren wurde auf Antrag der Thüringer CDU ein Untersuchungsausschuss zur ‚politischen Kriminalität‘ im Freistaat eingesetzt, deren Ziel die Durchleuchtung von antifaschistischen Strukturen sein soll. Diese politischen Angriffe gelten nicht den wenigen Individuen, welche im 129-Verfahren beschuldigt sind, sondern allen, die sich den Nazis und dem System aktiv entgegen stellen. Wenn zugelassen wird, dass die Beschuldigten aufgrund von Distanzierungen, Einschüchterung oder mediale Desinformation ohne Gegenpositionen der Bewegung, isoliert werden, hat die Repression ihren gewünschten Zweck erfüllt.
Es gilt sich mit von Repression Betroffenen zu solidarisieren und sie auf verschiedenen Ebenen zu unterstützen. Im aktuellen Verfahren geht es nicht nur darum, finanziellen Support zu leisten, sondern den Beschuldigten politisch den Rücken zu stärken, um Vereinzelung und Dämonisierung vorzubeugen.
Nazis und den Staat anzugreifen sind notwendige Mittel im Kampf für ein besseres Morgen. Solange wir den Feind:innen der Freiheit Möglichkeiten bieten, uns zu spalten, werden wir jede Perspektive in unserem Kampf verlieren. Kollektivität, Solidarität und Emanzipation sind Säulen einer revolutionären Perspektive, ohne die jeder Kampf sinnlos erscheint.
Kommt zu den Kundgebungen an den ersten Prozesstagen am Oberlandesgericht Dresden, um den Gefährt:innen vor Gericht unsere Solidarität zu demonstrieren! (4)
Getroffen hat es einige, gemeint sind wir alle – Unsere Solidarität ist stärker als jede Repression!
Solidaritätskoordination Thüringen