Folgender Redebeitrag, der auf der diesjährigen Silvester-Demo zum Frauenknast in Berlin-Lichtenberg gehalten wurden, wurde uns anonym zugesandt. Wir dokumentieren ihn an dieser Stelle.
“129 Nazis boxen – Liebesgrüße an Lina
Unsere Freundin und Gefährtin Lina ist nun seit über einem Jahr in Haft. Sie wurde am 05.November 2020 verhaftet und mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Untersuchungshaft in der JVA Chemnitz gesperrt. Das Verfahren gegen sie und drei weitere Angeklagte wird vor dem Oberlandesgericht Dresden verhandelt und sie wird seit September diesen Jahres zweimal wöchentlich auf diese Bühne gezerrt, um ein Exempel an ihr und den andere zu statuieren. Die Besonderheit in diesem Fall ist die Rolle, die sie Lina zuschreiben. Als einzige Frau unter zehn Beschuldigten und vier aktuell Angeklagten, wird sie zur Anführerin stilisiert. Mit dem Prozess gegen sie geht eine mediale Hetze und ein ein Verurteilungswille der Justiz einher. Eine sexistische Ermittlungsarbeit der Soko Linx in Sachsen und die Annahme des Verfahrens durch den Generalbundesanwalt verdeutlichen, wie sehr sich die Repressionsbehörden nach einem Erfolgserlebnis sehnen und zu diesem Zweck Gruppen konstruieren und jenseits jeden Verständnisses für libertäre Ideen eine Hierarchie implizieren, die wir ablehnen.
Lina wird angeklagt, weil sie ihr vorwerfen, Nazis angegriffen zu haben. Nicht nur irgendwelche Nazis, sondern Kader in einem Umfeld, in dem sie sich sicher fühlen können und sogenannte national befreite Zonen aufbauen, wenn wir nicht agieren und sie in ihren Komfortzonen attackieren und ihnen eben diese Sicherheit nehmen. Sie werden geschützt von diesem Staat und vor allem von ihren Kameraden in den Sicherheitsbehörden, die unsere Gefährt:innen verfolgen, sie observieren, durchsuchen, einsperren und alles, was sie in Erfahrung bringen können, an Nazis ausserhalb der Behörden weitergeben. In diesem Konglomerat rechter, autoritärer, faschistischer Scheisse verwundert es nicht, dass eine Frau, die Gegengewalt ausgeübt haben soll, besondere Aufmerksamkeit erfährt und in den Fokus gerückt wird. Jeder Angriff auf Nazis, an dem eine Frau beteiligt gewesen sein soll, wird Lina zugeschrieben, ohne zu sehen, wie viele von uns dort auf den Straßen sind, Hämmer, Steine, Plakate und Feuer in unseren Händen halten, um gegen ihre faschistische Weltordnung aufzubegehren.
Die eine, die sie gefangen halten, ist eine von uns und es könnte jede von uns sein. Sie glauben nicht, dass wir viele sind und wir alle in offener Feindschaft mit dem System gegen eben dieses kämpfen. Nazis zu boxen, Banken zu enteignen und Institutionen des Kapitalismus zu zerstören sind notwendige Handlungen, um der Freiheit ein Stück näher zu kommen und diejenigen, die handeln, scheissen auf Geschlecht und Hierarchie. Eine von uns ein Jahr lang einzusperren und wöchentlich zu exponieren ist ein weiteres widerliches Instrument der Repressionsbehörden, um uns einzuschüchtern und unsere Freundin zu isolieren. Das Ziel der Repression ist die Isolation, die Einschüchterung, die Spaltung einer Bewegung und der kämpfenden Individuen.
Wir lassen uns nicht einschüchtern und spalten, wir solidarisieren uns mit allen Gefangenen gegen die Isolation und senden kämpferische Grüße hinter die Mauern, die es zu durchbrechen gilt.
Freiheit für Lina – Freiheit für alle Gefangenen!”