Am Donnerstag, dem 30.03.2023, endete am Oberlandesgericht Dresden die Beweisaufnahme im Antifa Ost-Verfahren. Nach über 1,5 Jahren Prozess, nach mehr als 2,5 Jahren Haft für unsere Freundin und Genossin Lina, nach hunderten Stunden im Hochsicherheitssaal. Nach unzähligen Momenten, in denen der Staat, die Bullen, im Besonderen das sächsische Landeskriminalamt, und nicht zuletzt die Richter:innen ihre Repressionsmaschinerie vorführten. Das Theaterstück der sogenannten Strafverfolgung geht in seinen finalen Akt über.
In den vergangenen Monaten konnten wir erleben, welche Aufwände der Staat bereit ist zu betreiben, um Antifaschist:innen, die sich nicht auf ihn verlassen können, zu verfolgen. Die Soko LinX ermittelte seit nunmehr fast 3 Jahren auf zehntausenden Seiten Akten im Auftrag der Bundesanwaltschaft jeder noch so absurden Theorie hinterher. Seien es die Ermittlungen zur Identifizierung eines PKW, der angeblich zum Ausspähen benutzt wurde, während jeder blaue Ford Tourneo in halb Ostdeutschland unter die Lupe genommen wurde, um Verbindungen zu den Beschuldigten oder deren Umfelder zu finden. Oder unzählige Kreuztreffer-Analysen von tausenden Handynutzer:innen im Raum Dresden, Wurzen und Leipzig. Observationen, durchgeführt von dem mittlerweile aufgelösten Mobilen Einsatzkommando Dresden, das Verbindungen zu Nordkreuz unterhielt. Ermittlungen, die von einem Polizeibeamten angestrengt wurden, welcher in Verdacht steht, aus privaten Motiven persönliche Daten eines Beschuldigten zu veröffentlichen. Andere Beamte, die mit über 200km/h rasen, um ein Alibi zu widerlegen oder die Bundesanwaltschaft, welche zum gleichen Zweck kurzerhand Beweismaterial unterschlägt.
Kurzum, der Prozess war und ist eine Farce und soll nun trotz allem seinen Höhepunkt mit der Verurteilung der Angeklagten finden. In ihrem Plädoyer forderte die Bundesanwaltschaft eine Verurteilung in fast allen Punkten der Anklage. Jede logische oder faktische Lücke wurde kurzerhand mit dem Verweis auf eine „Gesamtschau“ der Indizien gestopft. An anderer Stelle wurden filmreife Aussagen des Vergewaltigers und Verräters J. Domhöver zum zentralen Indiz erklärt. Auf die Strafanträge der Karlsruher Kettenhunde dürfen wir weiterhin gespannt sein – im düstersten Sinne. Vom Gericht können wir dabei keine Differenzierung erwarten. Dass er von der Existenz einer Vereinigung überzeugt ist, hat der Vorsitzende Hans Schlüter-Staats bereits an vielen Stellen klargestellt. Schon die Anklage an einem Oberlandesgericht zuzulassen, muss als politischer Akt gewertet werden:
- Auch Linke bedrohen das Land – nicht nur die täglichen Einzelfälle in Polizei und Militär.
- Politische Szenen zerschlagen ist dank Neuauslegung des §129 nun noch einfacher. Wie Frau Geilhorn spöttisch in ihrem Plädoyer feststellte, sei man eben nicht mehr auf Gründungsdatum, Kassenbuch oder Mitgliederlisten angewiesen. Für sie zählen Kennverhältnisse, regelmäßige Termine und – Überraschung – die angeblich geteilte politische Ideologie. Wobei es ihr sogar unnötig erschien, diese zu belegen.
- Die Darstellung einer vermeintlichen Gewaltspirale zwischen links und rechts, welch die Gewalthoheit des Staates bedrohe. Eine gedachte Spirale, bei der der NSU, Hanau und Halle, antifaschistischer Intervention gegenüber stehen, spricht für enorme Realiätsverweigerung. Dabei konnte sich Alexandra Geilhorn in ihrem Plädoyer einen Verweis auf die Geschichte nicht verkneifen, in dem sie implizit den antifaschistischen Widerstand der 20er Jahre für die Wahlergebnisse 1933 mitverantwortlich macht.
Nichtsdestotrotz möchten wir uns weder von Mammutprozessen, noch von deren Urteilen einschüchtern lassen. Nutzt die anstehenden Verhandlungstage – kommt zu den Plädoyers nach Dresden zur solidarischen Prozessbegleitung.
Kommt am Tag X, dem Samstag nach der Urteilsverkündung, nach Leipzig zur Demonstration. Lasst uns gemeinsam zeigen, was wir von der neuen Repressionswelle halten!
Und: Unsere Solidarität gilt auch den weiteren Beschuldigten im Antifa Ost-Verfahrenskomplex, die ebenfalls nach §129 oder wegen des Angriffs in Wurzen verfolgt werden. Damit lange nicht genug: Diesem Verfahren gingen letztes Jahr harte Urteile gegen Antifaschist:innen in Stuttgart voraus und das Ausmaß der Verfolgung im Kontext Budapest sucht ihres gleichen. Wir solidarisieren uns mit den Drei von der Parkbank, von denen einer kürzlich die Haft antreten musste, mit Finn, der bei der Räumung der Waldbesetzung Heibo in U-Haft genommen wurde, den vielen Genoss:innen, die wegen angeblicher Mitgliedschaft der PKK oder DHKP/C hinter Gittern sitzen und Alfredo Cospito, der sich nach wie vor im Hungerstreik befindet. Das ist nur eine kleine Auswahl unzähliger Fälle von Repression gegen Mitstreitende, und es werden weitere folgen. Lasst euch nicht unterkriegen, haltet zusammen!