++++ Triggerwarnung: Der folgende Text bezieht sich auf die Benennung und Beschreibung von sexualisierter, physischer und psychischer Gewalt ++++
Der folgende Text wurde von einigen Männern im Solibündnis verfasst, um Leuten, die sich dafür interessieren, einen aktuellen Überblick über Prozesse und Auseinandersetzungen im Bündnis zu geben. Seit dem Outcall von Johannes Domhöver gab und gibt es verschiedene Versuche damit und mit anderem patriarchalen Verhalten im Solidaritätsbündnis Antifa Ost (SAO) umzugehen. Hier soll ein kurzer Abriss dieser Prozesse skizziert und der aktuelle Stand beleuchtet werden.
Große Teile der Beschuldigten und des späteren SAO hatten durch Akteneinsicht schon in der zweiten Jahreshälfte 2020 von einem Hinweis auf sexualisierte Gewalt durch Johannes Domhöver erfahren. Im SAO wurde das Wissen erst im Herbst 2021 thematisiert, wobei sich gegen eine Veröffentlichung entschieden wurde. Für diese Entscheidung ausschlaggebend war der entsprechende Wunsch der betroffenen Person. Eine zumindest abstrakte Benennung wurde unter anderem mit der Sorge diskutiert, solidarische Unterstützung für das Verfahren zu verlieren. Erst nach den öffentlichen Outcalls wurden aktive Prozesse im SAO angestoßen, die sich zunächst auf die Herstellung von interner Transparenz und Diskussionen über die öffentlichen sowie eine interne Stellungnahme beschränkten. In Letzterer wurde das aus den Akten Bekannte sehr verspätet, im Dezember 2021, an Strukturen kommuniziert, die mit uns zu tun haben. Außerdem hat das SAO nach den Outcalls Transparenz zu vergangenem übergriffigen Verhalten von Beschuldigten eingefordert und dieses thematisiert, was ebenfalls zum Gegenstand der internen Stellungnahme wurde. Eine konkretere Benennung davon ist in der öffentlichen Form dieses Textes aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Die Sorge, dadurch Unterstützung zu verlieren, spielt dabei allerdings keine Rolle mehr.
Um sich im Rahmen unserer Strukturen mit dem unmittelbaren und strukturellen täterschützenden Verhalten in Bezug auf Johannes Domhöver auseinanderzusetzen, wurde ein Konzept aus Workshops und Diskussionsveranstaltungen erarbeitet. Es richtet sich v.a. an Männer im Bündnis, die mit Domhöver zu tun hatten oder über den Hinweis aus den Akten informiert waren. Ab Januar diesen Jahres sollte dieser Prozess mit externen Referent:innen starten, wurde aber von denselben noch vor dem ersten Workshop kritsiert. Im Kern der Kritik stand das Problem, dass im und um das SAO noch immer neue Informationen u.a. zu übergriffigem Verhalten durch verschiedene Personen auftauchten und wir uns noch nicht in einem Stadium befinden würden, um auf unser Handeln zurückzublicken und dieses aufzuarbeiten. Vielmehr sollte es zunächst darum gehen, weiteren Schaden durch eigene Fehler zu vermeiden. Außerdem wurde kritisiert, dass sich unser Konzept zu stark auf Johannes fokussiere und eine wirklich tiefgreifende Auseinandersetzung mit uns individuell und strukturell in unserem Aufarbeitungskonzept nicht zu erkennen sei. An dem Konzept wurde trotzdem festgehalten, mit der Perspektive, dass es die Teilnehmenden noch länger begleiten wird.
Der interne Diskurs rund um Johannes Domhöver und weitere Täterschaften war vor den öffentlichen Outcalls sehr von Abwehrhaltungen und fehlendem Problembewusstsein der Cis-Männer geprägt. Das führte zusammen mit weiterem antifeministischen Verhalten zum Rückzug von FLINTA. Auf Anregung von FLINTA bildete sich als Reaktion darauf ein regelmäßiges Treffen der Männer im SAO, welches zusätzlich zu regulären Treffen stattfindet. Das Ziel dieser Treffen ist, die patriarchalen Dynamiken im Bündnis zu besprechen und möglichst viel Arbeit und Verantwortung zu übernehmen, die im Kontext der verschiedenen Taten anfallen.
Zusammenfassend lässt sich ein ernüchternder und enttäuschender Zustand festellen: Der Umgang war lange von der Suche nach rein pragmatischen Lösungen, Konzepten, etwas einfach Greifbarem eben geprägt. Tiefer gehende Diskussionen, gemeinsame Reflexion und Transparenz nach außen wurden aus verschiedenen Gründen vermieden. Die Männertreffen haben zu einer leichten Verbesserung beigetragen, vor allem unter dem Druck, dass sich das Bündnis zunehmend verkleinert hat. Welche strukturellen Veränderungen notwendig sind, wurde nur mit Bezug auf die Machtgefälle im Bündnis selbst thematisiert. Von dem geplanten Veranstaltungskonzept, das anfangs wohl vor allem als pragmatischer Umgang dienen sollte, wird sich weiterhin sinnvoller Input für ein Umdenken und eine Veränderung unserer Strukturen erhofft. Dabei soll insbesondere die Verbindung zwischen Teilen der linken Bewegung und patriarchaler Gewalt im Vordergrund stehen. Denn die Taten von Johannes Domhöver stehen nicht für sich alleine, sondern sind im Kontext von sozialen Umfeldern zu sehen, die nun die Verantwortung haben, sich strukturell zu verändern und diese Veränderungen auch sichtbar zu machen.